Christoph Freilinger: „Der Liturgiereform des Konzils vorausgegangen“
Dr. Christoph Freilinger: „‚ … der Liturgiereform des Konzils vorausgegangen …‘ (Franz Salesius Zauner) – Liturgische Veränderungen in der Diözese Linz vor und nach dem Konzil“ (12. Oktober 2018)
Der Liturgiewissenschaftler Christoph Freilinger nahm in seinem Vortrag „‚ … der Liturgiereform des Konzils vorausgegangen …‘ (Franz Salesius Zauner) – Liturgische Veränderungen in der Diözese Linz vor und nach dem Konzil“ am 12. Oktober 2018 im Rahmen des Symposiums „50 Jahre Linzer Rudigierorgel – ein Meilenstein“ die liturgischen Veränderungen in der Diözese Linz vor und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Blick.
Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Vorstellung von den liturgischen Veränderungen zu ermöglichen, skizzierte Freilinger zunächst, wie die Messe vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefeiert wurde bzw. gefeiert werden konnte. Anschließend präsentierte er Persönlichkeiten, die mit ihren Aktivitäten im Rahmen der liturgischen Bewegung in der Diözese Linz eine Vorbereitung auf das Konzil geschaffen haben. Freilinger bemerkte dazu treffend: „Es wird deutlich, dass das Konzil in Linz nicht der Beginn einer Veränderung war, sondern in gewisser Weise schon ein Zielpunkt, könnte man in mancher Hinsicht sagen.“ Zuletzt unternahm der Liturgiewissenschaftler den Versuch, die Dynamik der Entwicklung und der Veränderungen direkt im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil zu zeigen.
Linz: „Schule für die Liturgieaufgaben des gesamten Konzils“
Bischof Franz Salesius Zauner habe die „Gestaltung des Gottesdienstes in unserem Sprachgebiet“ als „Schule für die Liturgieaufgaben des gesamten Konzils“ wahrgenommen. Das im Titel verwendete Zitat „ … der Liturgiereform des Konzils vorausgegangen ...“ stamme dabei, so Freilinger, aus dessen Fastenhirtenbrief des Jahres 1964. Bereits 1963 habe dieser, wie der Liturgiewissenschaftler zitierte, seine Diözese wissen lassen: „Meine Aufgabe als Mitglied der Vorbereitungskommission des Konzils und jetzt in der Konzilskommission zwingt mich immer wieder, zwischen Zielen der liturgischen Bewegung und dem Stand des Gottesdienstes in der Diözese zu vergleichen.“
Freilinger selbst stellte die These auf, dass das Zweite Vatikanische Konzil in der Diözese Linz vermutlich weniger als Bruch erlebt wurde als anderswo, weil bereits vieles vorbereitet war, gleichzeitig gab er aber auch zu bedenken, dass der Paradigmenwechsel dadurch nicht durchgängig rezipiert worden sein könnte.
Feier der Messe vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Freilinger umriss zunächst den Ablauf der seit 1570 üblichen Form der Privatmesse des Priesters, bei der eine unmittelbare Interaktion mit den Gläubigen oder eine Einbeziehung in Rituale nicht vorgesehen war. Gläubige konnten, erläuterte der Liturgiewissenschaftler, der Messe in Form von alleine oder gemeinsam gebetetem Rosenkranz oder Messandachten „andächtig beiwohnen“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauche in Papst Pius‘ X. Motu proprio „Tra le sollecitudini“ erstmals der Begriff auf, der in der liturgischen Bewegung schließlich zum Kernthema wurde, nämlich die „tätige Teilnahme aller Getauften am und im Feiern der Liturgie“.
Christoph Freilinger skizzierte anschließend die Linzer Messordnung von 1948 mit ihren Grundformen, die auf diese neue Anforderung reagierte und sich bis über das Konzil hinaus als tragfähige Basis für weitere Entwicklungen erwies.
Prägende Entwicklung in der Diözese Linz vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Freilinger stellte prägende Persönlichkeiten vor, die durch ihr Wirken bereits vor dem Konzil den Weg zur liturgischen Erneuerung in der Diözese Linz und darüber hinaus ebneten. Eine wesentliche Rolle übernahm dabei Monsignore Josef Huber (1888-1978), der Spiritual des Priesterseminars Linz, der sich bereits 1928 in Klosterneuburg bei Pius Parsch mit dem Virus der liturgischen Bewegung hatte infizieren lassen, wesentlich an der Grundlage für muttersprachliche Texte in der Liturgie und später Seminaristen in den Geist der Liturgie eingeführt hat, wodurch die liturgische Bewegung flächendeckend in den Pfarren ankommen konnte. Aus dem Schülerkreis um Huber hatten auch die Brüder Kronsteiner, so Freilinger, Anteil am Übersetzungsgeschehen, wie Freilinger Hans Hollerweger zitierte: „Sie begannen das Werk ihres liturgischen Lehrmeisters in musikalischer Hinsicht zu ergänzen“.
Daneben rückte Freilinger neben dem bereits bekannten „Liturgiebischof“ Franz Salesius Zauner auch Bischof Joseph Calasanctius Fließer in den Fokus seiner Betrachtungen. Mit seinem bedeutsamen, sehr pastoral orientierten Werk „Epistola liturgica I“ hatte er bereits 1944 einen wesentlichen Impuls für die volksliturgische Bewegung (von der deutschen Predigt bis hin zum Kommunionempfang in der Messe) gesetzt und damit ein Bewusstsein vorweggenommen, das erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wesentlich wurde. Außerdem richtete Fließer darüber hinaus den liturgischen Rat (heute: liturgische Kommission) – lange bevor Papst Pius XII. 1947 eine solche für die Weltkirche als nützlich empfahl – sowie das Liturgiereferat ein. Beide Gremien sollten sich – so Freilinger – als hilfreich in der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse erweisen, indem diese Liturgie-Arbeitskreise bildeten, Priestertage, liturgische Werkwochen sowie Bildungswerkveranstaltungen organisierten und auch Behelfe und Bücher veröffentlichten.
Liturgische Entwicklungen vor und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Christoph Freilinger skizzierte Entwicklungen in der Liturgie – u.a. durch die 1964 erschienene „Instructio Pastoralis“ des österreichischen Episkopats, die erste Anweisungen (zum Beispiel die Verkündigung von Lesung und Evangelium in deutscher Sprache durch einen Lektor) enthielt, oder den Fastenhirtenbrief 1965, der neben dem Entfall des Anfangspsalms im Stufengebet auch den Entfall des Schlussevangeliums ermöglichte, gleichzeitig aber auch das Fürbittgebet und die Möglichkeit, Eucharistie zum Volk hingewendet zu feiern, einführte.
In diesen Bereich fallen auch die heute gebräuchlichen deutschsprachigen ökumenischen Fassungen von Vater unser (1968) sowie von Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei (1971), die dem heutigen Sprachgebrauch angepasst werden und damit verständlicher werden sollten. Weiters wies Liturgiewissenschaftler Freilinger auf Veränderungen im Bereich der Kommunionspendung (Kommunion unter beiderlei Gestalten, Handkommunion, Einsatz von Kommunionhelferinnen und Kommunionhelfern) und bei Kirchenraumgestaltungen sowie auf liturgische Experimente (zum Beispiel Feier der Osternacht, Begräbnisritus) hin und thematisierte Auswirkungen auf die Kirchenmusik, die nicht mehr als Untermalung, Begleitung oder Ancilla gesehen wurde, sondern selbst wesentlicher Teil der Liturgie geworden war.
(sp)