Animato
Mit der Gemeinde im Linzer Mariendom feierte Domkurat Josef Keplinger, der in seiner Begrüßung die Kontraste der Kirchenjahreszeit, in der wir uns befinden und die vor uns liegt, in den Fokus rückte: „Schon als Kind habe ich die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten, die es in der Liturgie gibt, regelrecht geliebt. Und dazu gehört auch der Kontrast, den es im Laufe des Kirchenjahres gibt. Heute noch beschwingte Orgelmusik, nächsten Sonntag die Herbheit der österlichen Bußzeit. Heute stimmen wir noch einmal das Halleluja an. Wir tun es erst wieder in der Osternacht. Und diese Kontraste, die tun uns gut, wenn wir sie wahrnehmen. Weil es so viele Kontraste in unserer Welt gibt, in unserem Leben, in unserem eigenen Herzen. Wie immer wir heute da sind, gemeinsam bergen wir uns in der Gegenwart des Herrn im Vertrauen darauf, dass bei ihm unser Leben gut wird.“ Und die angesprochenen Kontraste gab es auch musikalisch zu erleben – durch die erstmals in der Geschichte des Linzer Mariendoms improvisierte heitere Musik zum Faschingssonntag, ganz nach der leicht abgeänderten Redewendung: „Es muss nicht immer da Bergamo, Diana oder Puccini sein.“
Heitere Ermunterung in der Musik
Toccata, vor sich hinschwebend. Die zum Einzug erklingende Toccata präsentierte sich mit sehr schnellen Läufen, die immer wieder vom Bass Impulse bekam – ganz im Sinne eines Feuerwerks, das aus der Tiefe den Impuls bekommt und nach der Explosion dann in die Breite geht, um anschließend sanft schwebend zu zerfließen.
Interludium, quasi Adagietto amabile. Zur Gabenbereitung erklang dieses sehr ruhige Stück mit sich stets wiederholenden Akkorden, von denen sich eine Solostimme im Cornett abhob und mit süffisanten Wendungen arbeitete.
Animato, heiter bis beschwingt. Während der Kommunion improvisierte Wolfgang Kreuzhuber ein heiter-beschwingtes Stück in Reihenform, geschaffen aus luftigen Akkorden, die in fröhlicher Bewegung durch den Mariendom geschwebt sind.
Sortie alla Rumba. In französischer Tradition erklang ein Sortie als Auszugsstück, gar nicht französisch war allerdings der durchgehende Rumbarhythmus, der das lebhafte Stück bestimmte und bis zur Ekstase durchführte.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Sortie alla Rumba| Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
In dieser entmutigenden und belastenden Zeit beabsichtigte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber, mit seinen heiteren Improvisationen ein Lächeln aufs Gesicht, einen Sonnenstrahl in die Seele zu zaubern. Und den Fasching darf man im Kleid „gehobener Form der guten Laune“ schließlich auch in der Liturgie hören.
Hintergründige Ermutigung in den Worten
Mit den Sprichworten „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“, „Lügen haben kurze Beine.“ Und „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ leitete Domkurat Josef Keplinger seine Predigt ein und vermutete, dass wohl alle in ähnlicher Weise fortfahren und den einen oder anderen Sinnspruch ergänzen könnten. Und: „Das Interessante ist, die nehmen wir wirklich ein Leben lang mit. Und zu ganz verschiedenen Gelegenheiten werden sie auf einmal im Gedächtnis lebendig. Und ich halte das für ein sehr interessantes Phänomen.“ Diesem Phänomen ging Josef Keplinger auf den Grund und suchte nach den historischen Wurzeln solcher Sinnsprüche und landete dabei in einer Gesellschaft, die auf die mündliche Tradierung von lebenspraktischem Wissen angewiesen war. Und daher tauchen Sinnsprüche auch an verschiedenen Stellen der Bibel auf und werden dabei auch Jesus in den Mund gelegt, wie im Tagesevangelium (Lk 6, 39–45).
Josef Keplinger holte die Sinnsprüche sogleich wieder ins Heute: „Man kann jetzt kritisch fragen: Taugen solche Sprüche noch in einer immer komplexer werdenden Welt? In einer Welt, wo man manche Phänomene wirklich von ganz verschiedenen Blickwinkeln und Seiten betrachten muss, sind da solche Sinnsprüche nicht viel zu banal und verkürzend? Wir haben heute an Freiheit gewonnen, seit es nicht mehr nur ein Modell gibt, wie man leben muss, sich verhalten soll. Aber genau das lässt fragen: Birgt nicht die große Freiheit immer auch die Gefahr der Orientierungslosigkeit in sich oder der Beliebigkeit? Woran kann man sich denn noch festhalten im Gewirr von Lebensanschauungen, Meinungen, Parolen? Ich glaube, das ist eine wichtige Frage für Christinnen und Christen.“ Die alten Sinnsprüche aus der ersten Lesung (Sir 27, 4–7) und dem Evangelium interpretierte Keplinger als Perlen auf einer Kette: „Man kann sie als unendlich wertvolle Haltegriffe verstehen, die verhindern sollen, dass wir einfach mitgespült werden im Sog von Meinungen und Stimmungen. Vielleicht wirken sie auch manchmal fast so wie eine Stopptaste, die zum kritischen Fragen animiert. Denn jedes dieser Worte stimmt für sich, und jedes dieser Worte ist es wert, beherzigt zu werden. Im Sieb bleibt der Abfall zurück. Das kann die Frage enthalten: Wie beurteilt man einen anderen Menschen? Nicht auf den ersten Blick: positiv-negativ, schwarz-weiß. Bei jedem Blick gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Lobe nicht vorschnell. Sei nicht kritiklos, aber auch nicht zu kritisch. Schau zweimal hin, bis das zum Durchschein kommt, wie dieser Mensch dein Leben beeinflusst.“
Auch auf das digitale bzw. postdigitale Zeitalter richtete der Linzer Domkurat dabei seinen Blick: „Im Sieb bleibt Abfall zurück. Wie notwendig ist diese Erinnerung, wenn wir in das Internet einsteigen? Die Fülle, die da tagtäglich auf uns einströmt, die muss wirklich sorgfältig gesiebt werden. Sonst bleiben wir am Ende missbraucht und betrogen. Ganz ähnlich Worte im Evangelium. Kann ein Blinder einen Blinden führen? Ich höre dahinter eine Ermutigung. Du hast Augen im Kopf. Beurteile den, der zu dir spricht, nicht nur nach seinen Worten, sondern auch nach seinen Taten. Du hast die Kompetenz zu unterscheiden. Du hast ein Gewissen, einen Verstand und Lebenserfahrung. Deshalb lauf nicht sofort zu jedem blühenden Strauch. Von Disteln, die schön blühen, gibt es keine Feigen oder Trauben. Lerne immer zu fragen, wohin der gewiesene Weg einmündet, welche Konsequenzen er nach sich zieht.“ Und so resümierte Keplinger: „Die biblischen Sinnsprüche sind keine einfachen Antworten auf unser komplexes Leben, sondern ich glaube, sie können so etwas sein wie die Aufforderung, das Nachfragen nicht zu vergessen, also, alles was ist, auch unser Tun, nach dem wirklich lebensdienlichen zu befragen.“ Er schloss, anknüpfend an eine Erinnerung aus seiner eigenen Kindheit: „Wie oft am Abend die Oma in der Stube gesessen ist mit geschlossenen Augen und die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten lassen hat … ich habe immer das Gefühl gehabt, da hält sie sich jetzt an etwas fest. Vielleicht sind diese Sinnsprüche sowas, wo wir uns festhalten sollen im Alltag. So verstehe ich jedenfalls diese anschaulichen kurzen und dichten Weisheitssprüche in der Heiligen Schrift. Als Haltepunkte, die zum Fragen anregen, zum genaueren Hinschauen. Mit diesen Haltepunkten gelingt es uns vielleicht in einer komplexen Welt in der richtigen Spur zu bleiben, in der Spur, die Christus gelebt hat, in der Spur, die einem guten Leben dient.“
In der Spur, die einem guten Leben dient, war einmal mehr die wunderbare Kombination in den beiden Sprachen der Liturgie. Und was Josef Keplinger am Ende der ORGEL.LITURGIE über die Musik sagte, gilt ebenso für seine Worte: „Danke dir, lieber Wolfgang, dass du uns heute mit deinen Klängen und wie du uns mit deinen Klängen durch die Feier getragen hast. Allen wünsche ich heute noch einen guten Sonntag, ob er ausgelassen ist oder nicht, wie auch immer, und vor allem ein gutes Hineingehen in die österliche Bußzeit, ein wirklich inneres Zugrundegehen ... im wahrsten Sinne des Wortes.“
Stefanie Petelin
Peter Weidemann/Pfarrbriefservice.de (Sujetbild) | Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Fotos der ORGEL.LITURGIE)