VISIONEN
Elisa Lapan und Theresa Zöpfl – zusammen Orginel² und Saxobefont – begeisterten am 1. September 2024 mit der faszinierenden Kombination Orgel und Saxophon das domorgelsommerlinz-Publikum mit ihrem Matineekonzert VISIONEN. Auf dem Programm standen Werke von Edvard Grieg (1843–1907), Gabriel Fauré (1845–1924), Olivier Messiaen (1908–1992), André Chailleux (1904–1984), Jules Massenet (1842–1912)sowie Dorado (*1957) und Tchavolo (*1954) Schmitt.
Grieg!
Aus Edvard Griegs legendärer zwischen Sommer 1874 und 1875 entstandener Schauspielmusik in 26 Sätzen Peer Gynt, op. 23, erklang als Eröffnungsstück des Duos Orginel² und Saxobefont Anitras dans (Anitras Tanz, Nr. 16). Peer Gynt – nach dem dramatischen Gedicht gleichen Namens von Henrik Ibsen (1828–1906) – wurde am 24. Februar 1876 in Oslo (damals: Christiania) uraufgeführt. Ibsen wiederum hatte das Werk 1867 nach der literarischen Vorlage der zwischen 1845 und 1848 erschienenen Sammlung von Feenmärchen Huldre-Eventyr og Folkesagn von Peter Christen Asbjørnsen verfasst. Aufgrund des Erfolgs seines Werkes plante Ibsen die Umarbeitung seines Lesedramas zu einem Bühnenstück mit Musik – diese Idee schilderte er Edvard Grieg am 23. Januar 1874 aus seinem damaligen Wohnort Dresden und erntete bei Grieg sofort Begeisterung: „Ich schreibe Ihnen diese Zeilen im Hinblick auf einen Plan, den ich auszuführen gedenke, und möchte Sie fragen, ob Sie sich an ihm beteiligen wollen. Es handelt sich um folgendes: Ich habe die Absicht, ‚Peer Gynt‘, der nun bald in der dritten Auflage erscheint, für die Bühne einzurichten. Wollen Sie die Musik dazu komponieren? Ich skizziere kurz, wie ich mir die Sache denke. […] Wenn Sie darauf eingehen, wende ich mich gleich an die Leitung des Theaters in Kristiania, liefere ein eingerichtetes Text-buch und sichere uns im voraus die Aufführung des Stückes. Ich beabsichtige, ein Honorar von 400 Speziestalern zu beantragen, das zu gleichen Teilen zwischen uns geteilt werden soll.“
Grieg zweifelte an der Akzeptanz seines Werks außerhalb von Norwegen und stellte daher 1888 und 1893 aus acht Sätzen der Schauspielmusik zwei viersätzige Orchestersuiten zusammen, die heute als sogenannte Peer-Gynt-Suiten, op. 46 (Morgenstimmung, Åses Tod, Anitras Tanz, In der Halle des Bergkönigs) und op. 55 (Der Brautraub. Ingrids Klage, Arabischer Tanz, Peer Gynts Heimkehr. Stürmischer Abend auf dem Meer, Solveigs Lied) zu den beliebtesten Werken Griegs zählen.
Fauré!
Mit der Pavane, op. 50, aus dem Jahr 1887 wandten sich Elisa Lapan und Theresa Zöpfl Gabriel Fauré zu, dessen Todestag in diesem Jahr gedacht wird. Uraufgeführt wurde das seiner Mäzenin Marie Anatole Louise Élisabeth Greffulhe gewidmete Werk der Belle Époque 1888 in einem Konzert der Société nationale de musique in Paris unter dem Dirigat des Komponisten. Konzipiert war das Werk zunächst als Werk für Klavier und Chor, das in den Augen Faurés „elegant, assuredly, but not particularly important“ war, Bekanntheit erlangte es aber in der im Sommer 1887 entstandenen Fassung für Orchester und optionalen Chor. Benannt ist das melancholisch eingefärbte poetische und wehmütige Werk nach dem gleichnamigen langsamen spanischen Hoftanz – vor dem inneren Auge sieht man förmlich die elegant wiegenden Schritte der Komposition über eine Reihe von harmonischen und melodischen Höhepunkten.
Messiaen!
Theresa Zöpfl musizierte – unterstützt von ihren Registranten Gerhard Raab und Florian Zethofer – an der Rudigierorgel schließlich Olivier Messiaens Les Enfants de Dieu (Die Kinder Gottes) aus der Sammlung La Nativité du Seigneur: neuf méditations pour orgue. Die neunsätzige Sammlung entstand 1935 in Grenoble, ein Jahr später wurde das Werk am 27. Februar 1936 an der Orgel von La Trinité in Paris durch Jean Langlais, Jean-Yves Daniel-Lesur und Jean-Jacques Grunenwald uraufgeführt. Messiaen selbst stufte die Komposition als erste ein, die seine charakteristische musikalische Sprache spricht. Es handelt sich außerdem um die erste Komposition Messiaens, die weitgehend auf Modi aufgebaut ist. Der Synästhetiker Messiaen formulierte zu zwei der neun Sätze Farbvorstellungen, so charakterisiert für ihn beispielsweise Les bergers (Die Hirten) den Eindruck eines auf blau-violetten, roten, goldenen und silbernen Farbflecken bestehenden Kirchenfensters.
Chailleux!
Mit André Chailleux‘ Andante et Allegro – im Original für Altsaxophon und Klavier – aus dem Jahr 1958 erklang das Werk eines 2024 ein doppeltes Jubiläum feiernden Komponisten. Denn Chailleux wurde 1904 in Paris geboren und starb 1984. Nach seiner Aufnahme ins Conservatoire de Paris 1923 studierte Chailleux ab 1925 Harmonielehre.
Massenet!
Nicht nur aufgrund der Temperatur im Mariendom, sondern vor allem aufgrund der Musik schmolz so manche:r Zuhörende bei der Méditation aus Jules Massenets Oper Thaïs, einer Comédie-lyrique, dahin. Einer der erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit stellte seine Oper im März 1894 in der Opéra Garnier in Paris vor – die Meinungen über das Werk waren zunächst bei Kritik und Publikum geteilt, obwohl Massenets Romanvorlage von Anatole France aus dem Jahr 1890 großes Aufsehen erregt hatte. Bei einem Stück am erzählerischen Dreh- und Angelpunkt der Oper waren sich aber alle einig, der Méditation mit ihrem Violinsolo, die Massenet als Entracte-Musik zwischen die beiden Bilder des zweiten Akts gestellt hatte und die so das Aufkeimen der christlichen Läuterung in der Seele der Thaïs und deren Wandlung zur Eremitin (in der reflexiven Betrachtung und Besinnung und die Entscheidung für einen neuen Lebensweg) symbolisiert. Die Wirkung des Stücks sorgte dafür, dass es sich dabei heute um den erfolgreichsten Konzerttitel aus der Feder Massenets und eines der beliebtesten Zugaben für Virtuosen auf der Violine weltweit handelt. Die Oper selbst konnte sich allerdings nie als Repertoirestück – außer in Paris, wo das Stück bis Mitte des 20. Jahrhunderts bereits 700 Mal gegeben wurde – etablieren, sodass Thaïs meist in erster Linie mit der sentimentalen Méditation für Solovioline und Orchester und in zahlreichen entstandenen Bearbeitungen in Verbindung gebracht wird. Laut dem Musikwissenschaftler Ernest Newman (1868–1959) handelt es sich bei der Méditation um „un parfait portrait musical du processus émotionnel qui mène au réconfort et à la remise en question“.
Schmitt!
Mit dem Tchavolo Swing musizierten Orginel² und Saxobefont ein beschwingtes Finale. Komponiert wurde das Stück durch Dorado Schmitt (*1957). Gerichtet ist es an seinen 1954 geborenen Cousin Tchavolo Schmitt, einem französischen Gitarristen des Swing Manouche. Der Tchavolo Swing ist ein Werk, das im Film Latcho Drom aus dem Jahr 1993 musiziert wurde – der französische Regisseur Tony Gatlif thematisiert darin in acht Episoden die Migration der Roma (Rajasthan, Ägypten, Türkei, Rumänien, Ungarn, Tschechien/Slowakei, Frankreich, Spanien). Der titelgebende Romani-Ausdruck Latcho Drom bedeutet übrigens „Gute Reise!“. Dorado und Tchavolo Schmitt musizieren in der in Les Saintes-Maries-de-la-Mer angesiedelten Episode mehrere Gypsy-Jazz-Stücke.
Einmal mehr bewies das Duo Orginel² und Saxobefont, wie prächtig die Kombination Orgel und Saxophon klingt – begeisterten Applaus gab's darum vom domorgelsommerlinz24-Publikum für diese originellen, saxobefonten Klänge!
Stefanie Petelin
Braden Jarvis/unsplash.com/Unsplash License (Sujet) | Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Konzertfotos)