INTRODUKTION
Mit Musik von Johann Sebastian Bach (1685–1750), Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901) und Max Reger (1873–1916) gab der aus Hartkirchen stammende Organist Benedikt Kraml sein Debüt beim domorgelsommerlinz24 und eröffnete den Reigen der Matineekonzerte unter dem Motto INTRODUKTION.
Johann Sebastian Bachs „Jugendwerk“
Bei Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge g-Moll, BWV 535, handelt es sich um ein ausdrucksstarkes und phantasievolles Jugendwerk. Die Quellen zeichnen drei Entwicklungsstadien nach: Die in Bachs Handschrift erhaltene Frühfassung (BWV 535a) ist wohl um 1707/1708 in Arnstadt zu datieren, tiefgreifendere Eingriffe in das Präludium in zwei Versionen sind wohl in Bachs Mühlhausener Zeit anzusiedeln und die verbesserte Gestaltung der Fuge entstand vermutlich erst in den frühen Weimarer Jahren. Die im dreiteiligen Präludium vorherrschenden Stilelemente norddeutscher Orgelkompositionen finden sich auch in den Tonwiederholungen des Fugenthemas wieder.
Johann Sebastian Bach (1685–1750): Präludium und Fuge g-Moll, BWV 535 | Rudigierorgel: Benedikt Kraml
Josef Gabriel Rheinbergers „Orgelsymphonie“
Der von Benedikt Kraml musizierte zweite Satz (Andante) aus Josef Gabriel Rheinbergers dreisätziger Sonate für Orgel Nr. 7 in f-Moll, op. 127, wurde 1882 in Leipzig veröffentlicht und ist „Herrn Carl Greith, Domcapellmeister in München, freundlichst gewidmet“. Greith (1828–1887) war wie Rheinberger Orgelschüler von Johann Georg Herzog (1822–1909) in München.
Rheinberges Orgelsonaten Nr. 6 bis 10 entstanden zwischen 1880 und 1886, als sich der Komponist besonders intensiv der Orgel als Königin der Instrumente zuwandte. Ab der sechsten Sonate weitete sich Rheinbergers Ausdehnung – auch wenn er am Terminus Sonate festhielt, tendierten Dimension und Duktus der Sonaten nun durchaus zum Symphonischen. Die Sonate Nr. 7 entstand im Jahr 1881 – der erste Satz (Preludio. Allegro non troppo) ist undatiert, der zweite Satz (Andante) trägt das Datum 6. Oktober, der dritte Satz (Finale. Grave – Vivo – Fuga. Moderato – Grave) nennt den 10. Oktober als Entstehungsdatum. Der von Kraml musizierte Satz – als Idylle beginnend und endend – präsentiert dabei im Mittelteil durchaus als technisch schwierig und verlangt von Interpret:innen die souveräne pianistische Technik, die er selbst besaß.
Max Regers „Werkchen“
Mit Max Regers oft gespieltem „Werkchen“ (wie dieser es selbst bezeichnete) beschloss Benedikt Kraml sein Debüt an der Rudigierorgel: Die Introduction und Passacaglia d-Moll, WoO IV/6, ist Regers Benefizbeitrag zu einem Album mit 36 kleineren Orgelwerken verschiedener Komponisten (darunter auch Josef Gabriel Rheinberger), das 1899 zur Finanzierung eines Orgelneubaus in Schönberg im Taunus von dem dort wirkenden Organist Ludwig Sauer (1861–1940) initiiert und unter dem Titel Orgel-Album. Zu Gunsten des Orgelneubaues zu Schönberg im Taunus beim Verlag Breitkopf & Härtel publiziert wurde. Der „Accordarbeiter“ Reger kombinierte in dieser als Nummer 20 des Albums gelisteten Komposition erstmals die beiden Satztypen Introduction und Passacaliga. Aufgrund der – im Vergleich zu anderen Werken Regers – etwas leichteren Ausführbarkeit erlangte das Werk bald große Bekanntheit – so zählt es heute zu den meistgespielten Orgelwerken Regers. Max Regers Werke ohne Opus (WoO) umfassen in erster Linie kleinformatige Stücke, die in Zeitschriften oder Sammelbänden abgedruckt wurden, die aber von großer Qualität sind, auch wenn Reger bei diesen bewusst auf eine Zählung verzichtete.
Seine Zustimmung zu Sauers Bitte um ein Stück für das Album übermittelte Max Reger am 8. Oktober 1899 in einem Brief aus Weiden und betonte recht selbstbewusst: „Selbstverständlich erfülle ich Ihre Bitte mit größtem Vergnügen und bin also gerne bereit, Ihnen eine Originalkomposition für Orgel für das Orgelalbum einzusenden unter Verzicht auf jegliches Honorar, möchte aber vorher um gütige Nachricht bitten, wie lang (resp. wieviele Druckseiten) meine Komposition sein dürfte. Würden Sie so gegen 8–10 Druckseiten vielleicht für mich übrighaben? Wenn nicht, so bin ich ja auch mit weniger zufrieden, aber je mehr Raum, desto lieber ist es mir, da ich die Absicht habe, Ihnen ein ausgedehntes Präludium samt Fuge zu schreiben.“ Nach Sauers am 13. Oktober 1899 erteilter Zustimmung sandte Reger bereits am 19. Oktober 1899 sein Manuskript für das Album mit folgendem Kommentar: „Ich habe Ihnen in Anbetracht dessen, dass Ihnen doch voraussichtlich meistens Fugen, Fughetten etc. für das Album gesandt werden, eine Introduktion und Passacaglia geschrieben. Das Werkchen wird 7–8 Druckseiten geben, ich habe es absichtlich nicht schwer gemacht, um nicht den Vorwurf auf mich zu laden, daß mein Beitrag zu Ihrem Album durch zu große Schwierigkeit den öfteren Gebrauch verhinderte. So wie die Passacaglia ist, muß sie jeder einigermaßen geübte Organist vom Blatt spielen können.“ Benedikt Kraml hat trotz seiner Übung nicht das Vom-Blatt-Spiel gewagt, sondern natürlich sorgfältig geübt und einregistiert. Das Ergebnis des um nur 0,8 Punkte an der Auszeichnung Bundessieger bei prima la musica 2024 in Brixen vorbeigeschrammten, aber dennoch mit Gold ausgezeichneten Jungorganisten kann sich mehr als hören lassen und sorgte beim domorgelsommer-Publikum für begeisterten Beifall.
Stefanie Petelin
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