Swinging Organ!
Für die ORGEL.LITURGIE am sechsten Sonntag im Jahreskreis zeigte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber einmal mehr, dass Kirche und Musik mittendrin sind – im Leben. Denn natürlich ist der Faschingssonntag auch eine Hochburg der Heiterkeit – und das kam musikalisch im Gottesdienst zum Ausdruck, indem Wolfgang Kreuzhuber mit einem Augenzwinkern jazzig-swingende Musik an der Rudigierorgel in den Kirchenraum zauberte. Wie resümierte Wolfgang Kreuzhuber nach der ORGEL.LITURGIE: „Es war mir ein Anliegen, nicht herkömmliche musikalische Wege zu beschreiten, sondern ungewohnte und neue Klänge in der liturgischen Praxis im Dom zu erproben und auszuloten: Was ist am Faschingssonntag musikalisch möglich?“ In seiner Begrüßung führte auch Bischofsvikar Johann Hintermaier aus: „Unser Domorganist versteht es immer wieder, die Musik in Einklang zu bringen, mit dem was uns im Leben bewegt …wo Freude und Leid, wo Lustigsein und Traurigkeit, wo alles seinen Platz haben kann.“
Unter der Gemeinde im Mariendom durfte Bischofsvikar Johann Hintermaier auch sechs junge Komponierende der anlässlich 100 Jahre Mariendom Linz und 200 Jahre Anton Bruckner ausgerichteten Kompositionswerkstatt: Komponieren in HIMMLISCHER HÖHE begrüßen, die von 9. bis 11. Februar 2024 im Rahmen eines Workshops die beiden Giganten Anton Bruckner und Mariendom Linz musikalisch „einatmeten“, um mit ihren im Laufe der nächsten Monate entstehenden Kompositionen im Oktober 2024 die „100.000 Kubikmeter Luft des Mariendoms“ (Sam Auinger) in Bewegung zu bringen.
Lilo Kunkel mal zwei
Zum Einzug der ORGEL.LITURGIE erklang eine swingende Choralbearbeitung über „Befiehl du deine Wege“ (GL 418) aus Twelve Tunes von Liselotte (Lilo) Kunkel (*1975), die selbst beim domorgelsommerlinz24 mit BRUCKNER AT NIGHT am 29. August 2024 jazzig-swingende Klänge in den Linzer Mariendom zaubern wird. In der Choralbearbeitung über „Befiehl du deine Wege“ (GL 418) wird der erste Teil einer Verszeile in Swingrhythmen und verjazzten Akkorden aufgelöst und frei weitergeführt. Unterbrochen werden die verszeiligen Durchführungen durch Soli der Oberstimmen nach Art eines Rondo.
Ebenfalls aus Lilo Kunkels Twelve Tunes im Jazz-Stil, die Jazzharmonien in die klassisch-liturgische Praxis einbeziehen, musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber zur Gabenbereitung eine pfiffig-swingende Choralbearbeitung über „Gott wohnt in einem Lichte“ (GL 429). Darin wechseln einander die freie Behandlung der Choralmelodie und das konkrete – von Swingrhythmen begleitete – Choralzitat ab. Kunkel zeigt auch hier abermals, wie sich mit Jazzharmonien und dementsprechenden Rhythmen spannende Choralvorspiele kreieren lassen.
Wolfgang Kreuzhuber trifft Miles Davis
Zur Kommunion gab’s schließlich Wolfgang Kreuzhubers Arrangement von Miles Davis‘ (1926–1991) Jazzstandard All Blues zu hören. Die auf einem 12-taktigen Bluesschema im 6/8-Takt basierende Jazzkomposition entstand im Jahr 1959 und wurde in ihrer ersten Fassung auf dem im selben Jahr erschienenen, einflussreichen Album Kind of Blue veröffentlicht. All Blues baut als sogenannter Jazzblues zwar auf der Bluesform auf, ist harmonisch allerdings weiterentwickelt und wird mit Mitteln des Jazz interpretiert. Ein Jazzblues stellt so immer einen Test für Kreativität der improvisierenden Solisten dar – wie wird Miles Davis zugeschrieben: „Don’t play what’s there, play what’s not there.” Dieses Motto hatte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber ernst genommen: Denn er konstrastierte die Miles-Davis-Zitate aus All Blues mit eigenen improvisatorischen Elementen, die im Rhythmus changierten und in denen die Soli frei interpretiert wurden.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Freie Improvisation | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Als swingender Ausklang der ORGEL.LITURGIE improvisierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel zum Auszug ein heiter-virtuoses Postludium, das den bei der Kommunion eingeführten Rumbarhythmus noch einmal aufgriff und als mehrteilige freie Form in ein furioses Finale verwandelte.
Das swingende Gefühl als Grundrhythmus der ORGEL.LITURGIE übertrug sich spürbar auf die Gemeinde, wie Klangkünstler Sam Auinger als einer der Workshopleiter der Kompositionswerkstatt im Anschluss an den Gottesdienst schmunzelnd erzählte. Dann kann die Devise bis zum Aschermittwoch ja nur lauten: Keep on swinging!
Stefanie Petelin
Christopher Burns/unsplash.com/Unsplash License (Sujet) | Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Fotos der ORGEL.LITURGIE)