Happy Birthday, Anton Heiller!
Am 15. September 2023 hätte der musikalisch in jeglicher Sicht begabte Anton Heiller (1923–1979), dessen Name auch in enger Verbindung mit der Geschichte der Rudigierorgel im Linzer Mariendom steht, seinen 100. Geburtstag gefeiert. Domorganist Wolfgang Kreuzhuber, sein letzter Orgelstudent an der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, gratulierte in der ORGEL.LITURGIE am 17. September 2023 unter dem Motto Happy Birthday, Anton Heiller! an der Rudigierorgel auf musikalische Weise.
Mit seiner Werkauswahl erinnerte Kreuzhuber dabei an drei wesentliche Aspekte von Heillers Wirken und versteckte darin zudem noch eine persönliche Botschaft an den viel zu früh verstorbenen Mentor.
Anton Heiller als Interpret und Musikpädagoge
Mit Johann Sebastian Bachs (1685–1750) brillanter Fantasie g-Moll, BWV 542, zum Einzug und dem meditativen Schmücke dich, o liebe Seele, BWV 654, aus den Achtzehn Chorälen von verschiedener Art (Leipziger Choräle) zur Kommunion verneigte sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber vor Anton Heiller als Interpret und Musikpädagoge, der durch seine intensive Auseinandersetzung mit der historischen Aufführungspraxis die Bach-Interpretationen im Bereich Orgel revolutionierte und dieses Wissen an seine Studierenden weitergab. Bekanntlich war Johann Sebastian Bach ein lebenslanger Begleiter Heillers – die Orgelmusik Bachs war schließlich neben der Schule schon die Hauptbeschäftigung des neunjährigen „Toni“ im Jahr 1932 ...
Bachs Abendmahlchoral Schmücke dich, o liebe Seele als einer der berühmtesten und beliebsten Choräle Bachs behandelt dabei ein lutherisches Kirchenlied des 17. Jahrhunderts (Text: Johann Franck / Melodie: Johann Crüger), in dem die gläubige Seele eingeladen wird, sich auf die Begegnung mit Jesus Christus im Abendmahl vorzubereiten. Den mystischen Text ausdeutend schmückt Bach die Begleitstimmen wie die Choralmelodie selbst mit vielen Verzierungen aus und schafft so eine tröstlich-meditative Atmosphäre, die sich unmittelbar auf die Zuhörenden überträgt. Nicht umsonst resümierte Robert Schumann nach Mendelssohn's Orgelconcert, in dem dieser das Werk gespielt hatte: „ein unschätzbares, seelentiefstes Musikstück, wie es irgendeinem Künstlergemüth entsprungen“ Schumann war es auch, der in seinen um 1848 entstandenen Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bartholdy verriet, was dieser „mit innigstem Ausdruck“ über das Stück gesagt hatte: „wenn mir das Leben alles genommen hätte, dies Stück würde mich wieder trösten“.
Unvergessen ist vielen Heiller-Schüler:innen die im wahrsten Sinne des Wortes begeisterte und begeisternde Vermittlung der Symbolik und Spiritualität in Bachs Orgelwerk ihres tiefgläubigen Lehrers – eine Verknüpfung theologischer, spiritueller und musikalischer Betrachtungen im Sinne einer Klangrede, die nicht allein zu Gott, sondern auch von ihm sprechen will. Wie Bach widmete Heiller seine Stücke S.D.G., also Soli Deo Gloria, allein Gott zur Ehre.
Anton Heiller als Komponist
Nicht nur als Interpret setzte Anton Heiller Maßstäbe: Auch als Komponist begeisterte der überwiegend für den kirchlichen Kontext komponierende Heiller. Zur Gabenbereitung musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel Anton Heillers Vorspiel, Choral und Nachspiel Freu dich sehr, o meine Seele aus den Choralvorspielen zu Liedern des Danske Salmebog und präsentierte damit ein Werk aus der letzten Schaffensperiode des Komponisten.
Die auch als Dänische Choralvorspiele bekannten Werke entstanden 1977/1978 in Dänemark. Nach seinem drittem Schlaganfall während einer Konzertreise im September 1977 blieb Anton Heiller nach seinem Krankenhausaufenthalt in Aarhus noch bei seiner früheren Studierenden Kirstin Stig Petersen, bis er sich für die Rückreise nach Wien wieder gesund genug fühlte. Um nicht untätig auf seine Rekonvaleszenz zu warten, komponierte er die sieben Stücke, die sich auf die 1955 publizierte Melodisamling til Den Danske Salmebog beziehen und erst posthum veröffentlicht wurden. Heillers Vorspiel, Choral und Nachspiel des lutherisch-dänischen Liedes Jesus, dine dybe vunder, 221 (Freu dich sehr, o meine Seele), ist im Vorspiel als Trio mit cantus firmus im Tenor sowie im Nachspiel mit coloriertem cantus firmus im Sopran gestaltet.
Anton Heiller als Improvisator
Zum Auszug erklang eine fünfteilige Improvisation über ein freies Thema in gemäßigt moderner Tonsprache von Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel. In ihrer formalen Konzeption lehnt sich die Improvisation dabei an Orgelkompositionen Anton Heillers in seiner mittleren Schaffensperiode an.
Der Improvisator Anton Heiller steht dabei in enger Verbindung mit der Rudigierorgel, die bis heute eines der inspirierendsten Instrumente für viele Improvisatoren – und natürlich ganz besonders für ihren langjährigen Partner Wolfgang Kreuzhuber – darstellt. Heiller hatte im Rahmen der dritten Orgelvesper im Rahmen des Weihefestes 1968 des berühmten Instruments über Ave maris stella improvisiert und setzte mit der Farbigkeit, der kontrapunktischen Verarbeitung und der Harmonik dieser Improvisation Maßstäbe in diesem Bereich und prägte so nachfolgende Organist:innengenerationen auf dem Sektor des Improvisierens.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Improvisation | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Anton Heiller als Mensch
Nach diesem musikalischen Geburtstagsgeschenk an seinen Lehrer Anton Heiller erzählte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber sichtlich gerührt: „Ich bin sehr dankbar für alles, was ich von ihm lernen durfte – künstlerisch und menschlich ... und dass ich nun zwei Tage nach seinem 100. Geburtstag aus vollem Herzen für ihn musizieren durfte, das berührt mich ganz tief drinnen ...“ Dass er in seinem Programm der ORGEL.LITURGIE allerdings für die feiernde Gemeinde im Mariendom nicht nur Anton Heiller als Interpret, Pädagoge, Komponist und Improvisator zum Klingen bringen wollte, verriet Kreuzhuber in gewohnt bescheidener Weise erst auf Nachfrage. Denn er hatte mit Bachs Schmücke dich, o liebe Seele und Heillers Freu dich sehr, o meine Seele zwei Stücke ausgewählt, die die Seele ins Zentrum rücken. Und das war eine bewusste Entscheidung des letzten Orgelstudenten Heillers: Denn diese Bezugnahme auf die Seele soll das Seelenband darstellen, das zwischen Heiller und seinem „Kinderl“ auch vom viel zu frühen Tod Heillers bis heute nicht durchschnitten werden konnte ...
Stefanie Petelin
stux/pixabay.com/Pixabay License (Hintergrund, modifiziert) / Anton-Heiller-Archiv Wien/Bernhard Heiller (Anton Heiller) / Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Gestaltung); Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Fotos der ORGEL.LITURGIE)