Like a Byrd!
Like a Byrd! – Unter diesem Motto musizierten Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab am 2. Juli 2023 im Rahmen der ORGEL.LITURGIE Werke von William Byrd, dessen Todestag sich am 4. Juli 2023 (bzw. nach anderen Quellen am 6. Juli) zum 400. Mal jährt. Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Chororgel und Dommusikassistent Gerhard Raab an der Rudigierorgel erinnerten im Rahmen der ORGEL.LITURGIE so musikalisch an einen der bedeutendsten und vielseitigsten Musikschaffenden der Tudorzeit, der gemeinhin auch als „englischer Palestrina“ bezeichnet wird. Von William Byrd ist Musik aller Gattungen überliefert, sein geistliches Oeuvre umfasst Motetten und Messen für die katholische Liturgie, aber auch liturgische Musik für den protestantischen Gottesdienst. Berühmt ist The Fitzwilliam Virginal Book, eine Sammlung englischer Instrumentalmusik, in der zig Werke für Tasteninstrumente von Byrd überliefert sind.
A little Byrd told me ...
In der ORGEL.LITURGIE Like a Byrd! stellten die beiden Organisten des Linzer Mariendoms der feiernden Gemeinde vier Facetten von Byrds musikalischem Schaffen vor. Zum Einzug erklang die vermutlich erstmals in The Fitzwilliam Virginal Book – die Kompilation mit 297 Kompositionen für Virginal und nicht final geklärter Urheberschaft wurde erstmals 1899 bei Breitkopf & Härtel in London und Leipzig publiziert – veröffentlichte Fantasia, FVB 261, im motettischen Stil, die so insbesondere durch ihre kontrapunktische Arbeit überzeugt. Während der Gabenbereitung musizierten Kreuzhuber und Raab die ebenfalls aus dieser Sammlung für Tasteninstrumente stammende Pavana Fant[asia], FVB 257, die sich als schreitender Tanz mit Variationen präsentierte.
William Byrd (um 1543–1623): Pavana Fant[asia], FVB 257 | Rudigierorgel: Dommusikassistent Gerhard Raab | Chororgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Bei der Pavane handelt es sich um einen feierlichen Tanz der ausgehenden Renaissance (übrigens der Lieblingstanz von Queen Elizabeth!), deren Wurzeln in Südeuropa liegen, wie auch Michael Praetorius 1619 im Syntagma musicum erläutert: „Der Tanz aber kömmt ursprünglich aus Hispanien. In Maßen man siehet, dass er mit sonderlichen, langsamen, zierlichen Tritten und spanischer Gravität formieret werden muss.“ Heute gilt allerdings die Herkunft der Pavane aus Italien als gesichert. Der Pavane als Schreittanz folgte oft ein rascher Hüpftanz im Dreiertakt, meist handelte es sich um eine Galliarde.
Während der Kommunion füllten die Klänge eines der schönsten Chorstücke von William Byrd in einer Einrichtung für zwei Orgeln den Linzer Mariendom – die Motette Ave verum corpus, T. 92, die 1605 im Gradualia ac cantiones sacrae, (quinis, quaternis, trinisque vocibus concinnatae), Liber 1 als Nummer 37 veröffentlicht wurde. Zum Ausklang präsentierten Domorganist Kreuzhuber und Dommusikassistent Raab an den beiden Orgeln der größten Kirche Österreichs eine Variationsreihe: Das Stück mit dem Titel The Bells stammt ebenfalls aus der Sammlung The Fitzwilliam Virginal Book (FVB 69) und besteht aus neun Ostinato-Variationen über einen gleichbleibenden Bass.
In Erinnerung an den 400. Todestag des bedeutenden Komponisten darf man am Ende dieser ORGEL.LITURGIE wohl ausrufen: Happy Byrd-day!
Im Fokus: William Byrd
William Byrd wurde um 1539/1540 (nach anderen Quellen: um 1543) in Lincolnshire als Sohn von Thomas und Margery Byrd als eines von sieben Kindern geboren. England befand sich zu dieser Zeit in einem religiösen Umbruch – denn Henry VIII (1491–1547, Regentschaft 1509–1547) hatte das Land einige Jahre zuvor im November 1534 mit dem Act of Supremacy von der katholischen Kirche losgesagt und eine eigene, protestantische Kirche – die anglikanische Kirche – gegründet.
Vermutlich wirkte Byrd in der königlichen Kapelle als Chorknabe bei den Children of the Chapel, wohl während der Amtszeit von Königin Mary I (1516–1558, Regentschaft 1553–1558), die den Römischen Ritus wieder einführte. Demnach dürfte er in dieser Zeit von der katholischen Kirchenmusik geprägt worden sein. Nach deren nur fünf Jahre dauernder Regentschaft machte sich die nachfolgende Königin Elizabeth I (1533–1603, Regentschaft 1558–1603) daran, den von ihrer Schwester wiedereingeführten Katholizismus zu verdrängen und kehrte mit dem Act of Uniformity (der das Book of Common Prayer korrigierte und wieder einführte) und der Erneuerung des Act of Supremacy 1559 zurück zum Protestantismus, um 1563 schließlich noch die 39 Anglikanischen Artikel zu verabschieden. Byrd wirkte ab März 1563 bereits als Organist und Chorleiter der Kathedrale von Lincoln. 1568 heiratete er dort Juliana Birley; zwei seiner Kinder wurden ebenfalls dort geboren (Christopher im Jahr 1569, Elizabeth im Jahr 1572). 1570 wurde er Gentleman of the Chapel Royal, ab 1572 schließlich neben Thomas Tallis Organist der königlichen Kapelle in London. Gemeinsam mit seinem Mentor und Freund Tallis erhielt Byrd 1575 von Elizabeth I. das exklusive Privileg zur Publikation von Notendrucken.
Tallis wie Byrd genossen demnach höchste königliche und adelige Protektion, was im Falle Byrds inmitten der religiösen Umwälzungen der Epoche dringend nötig war, da dieser gemeinsam mit seiner Familie hartnäckig am Katholizismus festhielt, was immer wieder zu Konflikten mit der Obrigkeit führte. Doch sein Ruhm als Komponist und seine Treue zur Krone hatten zur Folge, dass ihm die durch die antikatholischen Strafgesetze auferlegten Rekusantengelder stets erlassen wurden. Seine letzten Lebensjahre verbrachte William Byrd zurückgezogen in Stondon Massey/Essex, wo er am 4. Juli 1623 (nach anderen Quellen: 6. Juli 1623) starb. Das für gewöhnlich in amtlich-nüchterner Sprache gehaltene Verwaltungsbuch der Chapel Royal vermerkte beim Eintrag zu Byrds Todesdatum: „A Father of Musicke.“
Byrd gilt als Begründer der englischen Schule der Virginalisten. Überliefert sind rund 125 Werke, wovon 71 in The Fitzwilliam Virginal Book publiziert sind. Sein Schaffen für das Instrument ist äußerst vielfältig, besonders ragen jedoch die Formmodelle von langsamer Pavane und rascher Gagliarde heraus. Durch seinen Beitrag zur Entwicklung dieser eigenständigen Musik für Tasteninstrumente beeinflusste er jüngere Vertreter dieser Schule – wie John Bull (1562/1563–1628), Giles Farnaby (um 1563–1640), Orlando Gibbons (1583–1625).
Stefanie Petelin
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