Bonne année!
„Bonne année!“ – das rief Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel beim Neujahrsgottesdienst am 1. Januar 2023 im Mariendom Linz mit Werken des französischen Komponisten Théodore Dubois (1837–1924) aus.
Der 1837 in Rosnay in der Champagne als Sohn eines Korbflechters und einer Schneiderin geborene Clément François Théodore Dubois studierte ab 1854 u.a. bei François Bazin (Harmonielehre), François Benoist (Orgel), Antoine François Marmontel (Klavier) und Ambroise Thomas (Kontrapunkt und Komposition) am Conservatoire de Paris und war 1861 Prix de Rome-Preisträger. Noch als Student wirkte Dubois ab 1855/56 als Korrepetitor in der Cathédrale Saint-Louis-des-Invalides. 1858 wurde er zunächst organiste-accompagnateur, ab 1863 maître de chapelle an Sainte-Clotilde – zu dieser Zeit amtierte César Franck als organiste titulaire an der Cavaillé-Coll-Orgel dieser Kirche. Von 1868 bis 1877 arbeitete Dubois als maître de chapelle an der Pariser Pfarrkirche La Madeleine im achten Arrondissement nahe des Place de la Concorde, von 1877 bis 1896 wirkte er schließlich als organiste titulaire dieser Kirche. Daneben unterrichtete Dubois ab 1871 am Conservatoire de Paris Harmonielehre und fungierte ab 1896 auch als Direktor dieser Einrichtung, in der er 1905 nach einem öffentlichen Skandal hinsichtlich der versuchten Verhinderung der Zuerkennung des Prix de Rome an Maurice Ravel vorzeitig in den Ruhestand trat. 1872 hatte Dubois die Pianistin Jeanne Duvinage (1843–1922) geheiratet; aus der lebenslang währenden, glücklichen Ehe gingen zwei Kinder hervor.
Am Ende seines Lebens resümierte Dubois, der bis heute in seiner Wirkung innerhalb der französischen Orgelromantik verkannt ist und dessen Werkkatalog alle musikalischen Gattungen umfasst, durchaus etwas ernüchtert (Mon Journal, 1922): „Was meine Kompositionen betrifft, so [...] glaube ich nicht, dass man mir gegenüber immer gerecht und unparteiisch gewesen ist. Ich bin nicht eitel, aber dennoch glaube ich, dass gewisse Werke mehr verdient haben als diese Art von kalter Ablehnung, mit der sie aufgenommen worden sind. Ich weiß nicht, ob ich mich täusche; doch kommt es mir wie eine Gewissheit vor, dass, wenn sie später, nach meinem Ableben, unvoreingenommenen Musikern und Kritikern unter die Augen fallen, ein Umschwung zu meinen Gunsten stattfinden wird! – Ich werde dann nicht mehr da sein und mich darüber freuen können. Doch ist das egal, der Gedanke allein erfüllt mich mit Freude!“
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber musizierte im Rahmen des von Bischof Manfred Scheuer zelebrierten Neujahrsgottesdienstes vier Stücke aus dem beachtlichen Œuvre von Théodore Dubois. Die Orgel stand zwar nicht im Zentrum von Dubois' Kompositionstätigkeit, war aber dennoch lebenslang präsent in seinem Schaffen und prägend für sein Wirken.
Im Neujahrsgottesdienst 2023 ertönten von der Rudigierorgel zwei Stücke aus der 1896 publizierten Sammlung Douze Pièces pour Orgue ou Piano-Pédalier. Das majestätische Grand Chœur (Nr. 12) ist dabei in B-Dur komponiert und dem damals an Saint-Eustache tätigen Organisten Henri Dallier (1849–1934) gewidmet. Dubois' Verset-Choral (Nr. 6) in a-Moll ist dem Andenken seines verstorbenen Freundes Alexis Chauvet (1837–1871, „à la mémoire de mon bon et regretté ami Alexis Chauvet“) gewidmet.
Théodore Dubois (1837–1924): Sept Pièces pour Orgue: 6. Postlude-Cantique | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Aus Dubois' Sammlung Sept Pièces pour Orgue aus dem Jahr 1898 erklangen im Neujahrsgottesdienst die lyrische Cantilène religieuse (Nr. 2) in C-Dur und das schwungvolle Postlude-Cantique (Nr. 6) in Es-Dur.
Stefanie Petelin
Bru-nO/pixabay.com/Pixabay License (Neujahrsbild); gallica.bnf.fr/Bibliothèque nationale de France (Théodore Dubois)