Pour le temps de Noël
César Franck. Am 10. Dezember 2022 jährte sich sein Geburtstag zum 200. Mal. Aus diesem Grund musizierte Dommusikassistent Gerhard Raab im Rahmen der adventlichen Reihe TÖNE & WORTE – so klingt Advent! am 18. Dezember 2022 an der Rudigierorgel unter dem Motto Pour le temps de Noël vier Werke von César Franck (1822–1890). Textlich umrahmt wurde das Franck-Programm mit adventlichen Gedanken von Angelika Stummer.
Mit seinen sinnlich-klangvollen Orgelwerken gilt der dem deutsch-belgischen Kulturkreis entstammende César Franck als Begründer der symphonischen Orgeltradition Frankreichs. Große Inspiration für sein Schaffen fand der 1822 im damals niederländischen Lüttich (Liège/Luik) geborene Franck in den Orgeln des berühmten Orgelbauers Aristide Cavaillé-Coll (1811–1899). Geschätzt als Organist, innovativ als Komponist, beliebt als Lehrer und bedeutend als Impulsgeber – damit zählt Franck, der mehr als drei Jahrzehnte an der Basilika Sainte-Clotilde im siebten Pariser Arrondisement als Titularorganist an der 1859 erbauten Cavaillé-Coll-Orgel wirkte, zu den wichtigsten Persönlichkeiten im französischen Musikleben in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Raab eröffnete seine TÖNE & WORTE an der Rudigierorgel mit Francks Offertoire, CFF 42/7, aus Francks unvollendeter Sammlung L’Organiste. Franck hatte vom Pariser Verlag Enoch & Cie den Auftrag erhalten, eine Sammlung mit Stücken für Harmonium in allen 24 Tonarten zu komponieren. Die berühmte Sammlung im Spätwerk des französischen Komponisten entstand im Sommer 1890, während sich Franck von seinem Unfall Anfang Juli erholte. Die Handschriften belegen dabei, dass Franck äußerst systematisch arbeitete und nacheinander die Stücke in der Tonartenfolge komponierte, sodass der Verleger Enoch & Cie insgesamt acht Reihen mit je sieben Stücken von C bis G sowie drei Stücke in As erhielt. Die Titel der Stücke (u.a. Offertoire, Communion oder Sortie) verraten den Hintergrund der Stücke – obwohl primär für den Gottesdienst bestimmt, weisen diese allesamt eine deutliche Multifunktionalität auf. Während der Komposition und Zusammenstellung der Stücke starb Franck am 8. November 1890, wie der Vermerk in der Sammlung verrät: „Cet ouvrage a été malheureusement interrompu ici par la mort du Maître (Novembre 1890).“ Die im November 1891 bei Enoch & Cie in Paris posthum publizierte Sammlung L‘Organiste enthält daher nur 59 Stücke, die explizit für das französische Harmonium (in der Bezeichnung des Verlegers „pour l‘Orgue-Harmonium“) verfasst sind, auch wenn sich der Großteil der kürzeren, kompositorisch aber äußerst elaborierten Stücke ausgezeichnet für die Interpretation auf der Orgel eignet.
Vorweihnachtliche Klänge von der Rudigierorgel folgten mit dem Offertoire sur un noël breton, CFF 34. Dieses Stück in C-Dur, das durchaus Francks Interesse am Volkslied zeigt, entstand vermutlich um 1865; erstmals publiziert wurde es im Oktober 1867 in L’Athénée musical. Das süß und wohlklingende Offertoire sur un noël breton basiert auf einem aus zwei kontrastierenden Melodien bestehenden bretonischen Weihnachtslied und ist kompositorisch als Dialog angelegt.
Nach den Weihnachtsklängen aus der Bretagne präsentierte Dommusikassistent Raab zwei weitere Stücke mit weihnachtlichem Charakter: das ebenfalls aus L’Organiste stammende Vieux Noël, CFF 47/2, in g-Moll sowie das den Pièces posthumes entnommene Grand Chœur (Sortie pour Noël), CFF 56, in C-Dur von 12. November 1858, das 1905 erstmals von Francks Sohn Georges publiziert wurde und mit dem Hinweis „Sur ‚À minuit fut fait un réveil‘, et ‚Il est un petit l’ange‘ (noël suisse)“ versehen ist. Mit diesen Miniaturen, die prägnante melodische Erfindungen subtil verarbeiten, weihnachtete es fast schon ein wenig im Linzer Mariendom, ganz im Sinne von der von Francks Schüler und Biograph Vincent d’Indy eingeführten Metapher eines Ideals der „cathédrale sonore“, einer „klingenden Kathedrale“.
César Franck (1822–1890): L'Organiste: VIII/2. Vieux Noël, CFF 47 | Rudigierorgel: Dommusikassistent Gerhard Raab
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin