Freue Dich, Christkind kommt bald
Der Vorfreude auf das nahende Weihnachtsfest und der Erwartung des Christkindes gaben sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel und Christoph Niemand am Mikrofon in ihren knapp 45 Minuten TÖNEN & WORTEN unter dem Motto Freue Dich, Christkind kommt bald hin und luden das Advent-am-Dom-Publikum zum Genießen und Staunen, zum Schmunzeln und Freuen ein.
Alle Jahre wieder!
Alle Jahre wieder! – Eine Improvisation über eines der bekanntesten Adventslieder stand am Beginn dieses Advent-am-Dom-Nachmittags, der Zimbelstern durfte bei dieser vorweihnachtlichen Freude natürlich nicht fehlen. Verfasst wurde der Text des Liedes 1837 von Wilhelm Hey (1789–1854), die gängigste Melodie des Liedes wird heute meist Friedrich Silcher (1789–1860) zugeschrieben, der sie 1842 in seinem Zyklus Zwölf Kinderlieder aus dem Anhange des Speckter’schen Fabelbuches veröffentlichte. Passend zur luftig-leichten Improvisation über dieses beliebte vorweihnachtliche Lied warf Christoph Niemand anschließend heimlich einen Blick in ein adventliches Kinderzimmer, in dem sich Tina mit ihrer Mama ganz ernsthaft über den Wunschzettel ans Christkind und ein Geschenk für selbiges unterhält ...
Tochter Zion, freue Dich!
Passend zum dritten Adventssonntag musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber bei TÖNE & WORTE – so klingt Advent! Felix-Alexandre Guilmants (1837–1911) Paraphrase sur un choeur de „Judas Maccabaeus“. Die romantische Fantasie über den bekannten Choral von Georg Friedrich Händel (Tochter Zion, freue Dich) entstammt Livraison VI der 1904 veröffentlichten 18 Pièces nouvelles, op. 90, und ist Guilmants Schülerin Madame Saenger, Organiste à New-York gewidmet. Guilmant gilt neben Charles-Marie Widor (1844–1937) als Mitbegründer der romantischen Orgelschule im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Der später weltbekannte Interpret und Improvisator, der der Orgel in der breiten Öffentlichkeit zu größerer Wertschätzung verhalf, wurde durch sein aufsehenerregendes Spiel bei der Einweihung der Cavaillé-Coll-Orgeln von Saint-Sulpice und Notre-Dame 1871 nicht nur zum Nachfolger von Charles-Alexis Chauvet als Titularorganist in La Trinité in Paris, sondern erhielt dadurch auch die Möglichkeit, mehrere Recitals auf der neuen Orgel Cavaillé-Colls im Palais du Trocadéro im Rahmen der Pariser Weltausstellung 1878 zu spielen.
Veni, Emmanuel!
Mit einem herzerfrischenden Brief ans Christkind von Salvatore aus Italien leitete Christoph Niemand auf das nächste von Domorganist Wolfgang Kreuzhuber musizierte Stück über, Pietro Alessandro Yons (1886–1943) Introit „Veni Emmanuel“, in dem man das Christkind nahezu aus dem Wald stapfen hörte, aus dem 1943 veröffentlichten Werk Advent. First religious suite for organ.
Pietro Alessandro Yon (1886–1943): Advent. First religious suite for organ: 1. Introit: Veni Emmanuel | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Der Blick auf Yons Vita bringt Spannendes ans Licht, auch wenn er in unseren Breiten heute in Vergessenheit geraten ist und meist nur noch als Schöpfer des Weihnachtsliedes Gesù Bambino namentlich genannt wird. Der 1886 im piemontesischen Settimo Vittone geborene Yon studierte an den Konservatorien von Mailand und Turin sowie an der Accademia di Santa Cecilia in Rom bei Remigio Renzi (Orgel) und Giovanni Sgambati (Klavier). Ab 1905 wirkte er als Organist unter seinem ehemaligen Lehrer Renzi in der Peterskirche im Vatikan – bereits zwei Jahre später folgte er allerdings seinem älteren Bruder Constatino nach New York. Bis 1926 wirkte Pietro Yon als Organist und Chorleiter an der St. Francis Xavier Church – die Gründung der Yon Music Studios, ein Konservatorium für angehende Kirchenmusiker:innen in der Carnegie Hall, sowie die Entstehung seiner bedeutsamsten Kompositionen wie Il Natale in Sicilia (1912), L’organo primitivo (1915) oder Gesù Bambino (1917) fällt in diese Zeit. In den 1920er-Jahren avancierte der italienisch-amerikanische Komponist mit Sinn für Humor zu einem „Medienstar“: Als erster Ehrenorganist des Vatikans, als Organist bei großen Feierlichkeiten wie Enrico Carusos Begräbnis, als Dirigent seiner Kompositionen bei den neuen Radiosendern CBS und NBC, als Designer der Orgel der Carnegie Hall und natürlich als Urheber des Weihnachtsklassikers Gesù Bambino. Von 1927 bis zu seinem Tod am Cäcilientag des Jahres 1943 infolge eines Schlaganfalls wirkte Yon als Organist an der St. Patrick’s Cathedral in New York City.
Creator alme siderum!
Den Schlusssatz Finale: Toccata on the Gregorian Hymn „Creator alme siderum“ aus Yons Advent-Suite interpretierte Kreuzhuber an der Rudigierorgel in Anschluss an den von Christoph Niemand vorgetragenen Brief einer Großmutter namens Gudrun, die einen ganz besonderen Vorschlag fürs Christkind hat.
Musikalisch wie poetisch spiegelte dieser Teil den Weg vom Dunkel ins Licht, den Perspektivenwechsel auf das nahende Weihnachtsfest wider. Während sich der Introit „Veni Emmanuel“ klanglich noch dunkel präsentierte, sprühte die finale Toccata on the Gregorian Hymn „Creator alme siderum“ vor italienischer Heiterkeit und vermittelte ein wenig das Gefühl von einem Gang durch den Adventsmarkt. Yons Musik ist dabei keiner Schule zuzuordnen – sie spricht eine eigene postromantische Sprache. Bei seinen Orgelwerken ist jedoch der Einfluss der Möglichkeiten der damals neu gebauten amerikanischen Orgeln deutlich spürbar. Heute gilt Yon, dessen Oeuvre insgesamt über 70 Messvertonungen und große Werke wie das Oratorium The Triumph of St. Patrick umfasst, als einer der bedeutendsten katholischen Kirchenmusiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Laufe von 30 Jahren unermüdlichem Schaffen gab der umtriebige Musiker etwa 1500 Konzerte und unterrichtete zahlreiche Schülerinnen und Schüler, darunter übrigens auch Cole Porter.
Leise rieselt der Schnee!
Bevor Wolfgang Kreuzhuber zum Abschluss in freudiger Erwartung auf das nahende Christfest über das vorweihnachtliche Lied Leise rieselt der Schnee improvisierte, las Christoph Niemand eine Weihnachtsgeschichte aus dem Wiener Stephansdom vor, niedergeschrieben von Dompfarrer Toni Faber – die Hauptprotagonisten der entzückenden Begebenheit aus einer Christmette im Stephansdom: Ministrant Felix und ein vergessenes Christkind aus Holz.
Leise rieselt der Schnee ist heute wohl eines der bekanntesten Lieder zur Advents- und Weihnachtszeit in deutscher Sprache, obwohl es der Verfasser des Gedichtes selbst ursprünglich als „ein Kinderlied“ bezeichnete, das die Erwartung des Kommens des Christkinds in den Fokus rückt. Der Text wurde nämlich 1895 vom evangelischen Pfarrer Eduard Ebel (1839–1905) erdacht und unter dem Titel Weihnachtsgruß in Ebels Band Gesammelte Gedichte veröffentlicht. Aus wessen Feder die Melodie stammt, ist – und bleibt wohl – unklar: Sowohl Textdichter Ebel als auch Daniel Gottlob Türk (1750–1813) scheinen als Komponisten auf, auch die Übernahme einer Volksweise ist ein mögliches Szenario. Musikalisch brachte Wolfgang Kreuzhuber in seiner Improvisation natürlich den immer wieder im Lied erklingenden Ruf Freue Dich, Christkind kommt bald! zum Klingen, vor allem hörte man in seiner flötenartigen, zarten Improvisation aber die Schneeflocken fallen. Als hätte er selbige „herbeigespielt“, tanzten beim Verlassen des Mariendomes leise die Flocken über den Domplatz ...
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin