E TENEBRIS AD LUCEM mit Melitta Ebenbauer

Mit E TENEBRIS AD LUCEM eröffnete Melitta Ebenbauer am 7. August 2022 die Matineereihe MUSIK AM MITTAG im Linzer Mariendom. Bei ihrer Premiere an der Rudigierorgel musizierte die gebürtige Steirerin Werke von Johann Sebastian Bach, Edward Elgar, Helmut Hoeft und Matthias Nagel.
In ihrem Konzertprogramm E TENEBRIS AD LUCEM machte sich Ebenbauer wahrlich auf eine musikalische Reise vom Dunkel ins Licht.
Berühmt!
Mit Johann Sebastian Bachs Passacaglia in c, BWV 582, eröffnete Melitta Ebenbauer ihre MUSIK AM MITTAG-Premiere an der Rudigierorgel. Entstanden ist dieses bekannte Werk Bachs, das aus zwei Sätzen – der Passacaglia und einer nahtlos daran anschließenden Fuge – besteht, vermutlich in seiner Weimarer Zeit nach 1709, die früheste Quelle stammt aus dem Jahr 1713. Das Autograph des Werks ist – wie auch bei vielen anderen Werken Bachs – verschollen; die Passacaglia in c ist nur durch Abschriften erhalten.
Bachs fulminantes Werk zeigt dabei nicht nur Einflüsse des französischen Komponisten André Raison, sondern bezieht sich auch unverkennbar auf die norddeutsche Orgeltradition und den mit ihnen verbundenen Ostinatowerken, inbesondere auf zwei Chaconnen und eine Passacaglia Dieterich Buxtehudes, und zeigt sich in seiner Anlage durchaus von Johann Pachelbels Chaconnen beeinflusst. Die Passacaglia in c, die norddeutsche und französische Traditionen überzeugend zu verschmelzen vermag, hatte in weiterer Folge wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Passacaglien des 19. und 20. Jahrhunderts.
Pfiffig!
Aus der Feder des deutschen Kirchenmusikers Helmut Hoeft (*1957) stammte Ebenbauers zweites zu Gehör gebrachtes Werk. Der gebürtige Berliner wirkt seit 1982 als Kantor und Organist an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin-Charlottenburg. Wer nur den lieben Gott lässt walten stammt aus der Sammlung Jazz Inspirations for Organ für Gottesdienst und Konzert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Bekanntes im Gewand von Swing, Jazz, Blues, Latin, Rumba, Ragtime oder Choral zu präsentieren oder Neues in dieser Form zu schaffen. Hoeft bearbeitet dabei das von Georg Neumark um 1641 gedichtete und vertonte Kirchenlied, das dieser selbst als „Trostlied“ bezeichnete und in seiner 1657 publizierten Sammlung Fortgepflanzter musikalisch-poetischer Lustwald erstmals veröffentlichte.
Swingend!
Mit Swing in? Swing out? But Swing! musizierte Ebenbauer ein Werk des deutschen Kirchenmusikers Matthias Nagel (*1958), der neben seinem kirchenmusikalischen Dienst komponierend tätig ist und seit 2011 eine Professur für kirchliche Popularmusik an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford innehat. „Irgendwie neu, irgendwie groovig und doch kirchenorgelgerecht“ – so beschreibt der Strube Verlag die pfiffigen Neukompositionen Nagels.
Englisch!
Zum Finale der MUSIK AM MITTAG erklang der vierte Satz (Presto (comodo)) von Edward Elgars Sonate G-Dur für Orgel, op. 28. Elgar schrieb seine Orgelsonate auf Anfrage des Domorganisten von Worcester, Hugh Blair, der anlässlich des Besuches einer Gruppe amerikanischer Kirchenmusiker:innen bei einem Kongress 1895 ein Voluntary vorzutragen beabsichtigte. Stattdessen entschied sich Elgar für eine fast halbstündige viersätzige Sonate (Allegro maestoso – Allegretto – Andanto espressivo – Presto (comodo)). Das Werk entstand im Sommer dieses Jahres – in der Partiturinschrift vermerkte Elgar „one week’s work“, was allerdings nur die finalen Arbeiten meint. Denn er hatte nicht nur mehrere Monate pausenlos an der Sonate gearbeitet, sondern auch – wie bei ihm öfters zu beobachten – auf älteres Material zurückgegriffen. So findet sich ein Teil des Andante espressivo unter dem Titel Träumerei bereits in einem Skizzenbuch von 1887, eine Skizze des Allegretto unter dem Titel Intermezzo existiert von April 1895. Gewidmet ist Elgars Werk „seinem Freunde C. Swinnerton Heap, Mus. Doc.“.
Seine Uraufführung erlebte das Stück am 8. Juli 1895 an der Domorgel von Worcester. Elgar finalisierte seine Orgelsonate aber so knapp vor der Aufführung (3. Juli 1895), dass die Zeit zum Proben nicht ausreichte. Wie der Biograf Jerrold Moore betont, schien Elgar stets den Anreiz einer bevorstehenden Frist gebraucht zu haben – insofern war diese zu knappe Zeitkalkulation für die Proben der Aufführenden nicht nur einmal bei dem englischen Komponisten zu beobachten. Angesichts der Tatsache, dass der Interpret oder die Interpretin in den Augen des Musikkritikers und Musikschriftstellers Michael Kennedy ein „mental and physical athlete“ sein muss, um das Finale gut musizieren zu können, bedeutete diese Verknappung der Probenzeit natürlich nichts Gutes für die Uraufführung in Worcester. Angesichts dieser Einschätzung: Chapeau für Melitta Ebenbauer, die das Presto (comodo) als „mental and physical athlete“ mit Bravour in den Kirchenraum des LInzer Mariendoms zauberte.
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Florian Zethofer