Orgelmusik von Johann Sebastian Bach zur Fastenzeit
Mit der ORGEL.LITURGIE am 20. März 2022 im Mariendom Linz brachte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber ein Geburtstagsständchen für den Großmeister Johann Sebastian Bach dar, der nach julianischem Kalender am 21. März 1685 geboren wurde. Mit der Dompfarrgemeinde feierte Bischofsvikar Johann Hintermaier.
Kreuzhuber musizierte am dritten Fastensonntag vier Werke aus dem „Orgelbüchlein“, einer Sammlung choralgebundener Orgelstücke, die Bach während seiner Weimarer Zeit zwischen 1712 und 1717 komponierte. Die Konzeption des angeblich für seinen Sohn Wilhelm Friedemann geschriebenen Unterrichtswerks sollte anfangs 164 Choräle in der Anordnung des Kirchenjahres enthalten, Bach komponierte allerdings nur etwas mehr als ein Viertel und beendete sein Projekt bereits nach 46 Stücken. 1720 fügte Bach in Köthen den Titel der Sammlung hinzu – er lautet: „Orgel = Büchlein Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird, auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen, anbey auch sich im Pedal studio zu habilitiren, indem in solchen darinne befindlichen Choralen das Pedal gantz obligat tractiret wird“. Weiter vermerkte er: „Dem Höchsten Gott allein zu Ehren, Dem Nechsten, drauss sich zu belehren.“
Einzug: Christus, der uns selig macht, BWV 620, In Canone all Ottava
Christus, der uns selig macht,
kein Bös's hat begangen,
ward für uns zur Mitternacht
als ein Dieb gefangen,
geführt vor gottlose Leute
und fälschlich verklaget,
verlacht, verhöhnt und verspeit,
wie denn die Schrift saget.
(1531)
Der Text des Chorals wird von Bach intensiv ausgedeutet, wobei die Passage „verlacht, verhöhnt und verspeit“ durch absteigende Chromatik dargestellt wird. Diese absteigende Linie kommt vierzehn Mal im Stück vor, eine Zahl, die im Leben Bachs eine besondere Rolle spielte – denn Vierzehn ist die Ziffernsumme der Buchstaben B-A-C-H.
Gabenbereitung: O Lamm Gottes unschuldig, BWV 618, Adagio, Canone alla Quinta
O Lamm Gottes, unschuldig
am Stamm des Kreuzes geschlachtet,
allzeit funden geduldig,
wie wohl du warst verachtet:
all Sünd hast du getragen,
sonst müssten wir verzagen …
(1524)
Der im katholischen Gottesdienst zur Brotbrechung gesungene Choral deutet die Tragik des Lammes aus, diese wird durch absteigende Seufzermotive (Figura suspirans) musikalisch zum Ausdruck gebracht. Als erstes Choralvorspiel im „Orgelbüchlein“ weist BWV 618 keinen Kanon in der Oktav, sondern einen Kanon in der Quint auf. Die Quint wird dabei oft als Symbol für den Menschen gedeutet.
Johann Sebastian Bach (1685–1750): Orgelbüchlein: O Lamm Gottes unschuldig, BWV 618 | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Kommunion: O Mensch bewein dein Sünde gross, BWV 622, Adagio assai
O Mensch, bewein' dein Sünde gross,
darum Christus seins Vaters Schoss
äussert und kam auf Erden;
von einer Jungfrau rein und zart
für uns er hie geboren ward;
er wollt der Mittler werden.
Den Toten er das Leben gab
und legt dabei all Krankheit ab,
bis sich die Zeit herdrange,
dass er für uns geopfert würd,
trüg unserer Sünden schwere Bürd
wohl an dem Kreuze lange.
(1525)
Dieser Choral spricht Geburt und Tod in einer Strophe an. Bach nimmt diesen Gegensatz als Ausgangspunkt für eines seiner schönsten und berührendsten Choralvorspiele im sehr langsamen Tempo (Adagio assai): In den Takten 6/7 und 9/10 wird Bezug auf den Choral „Vom Himmel hoch“, also auf Weihnachten, genommen – Seufzermotive in den folgenden Takten symbolisieren hingegen den Schmerz über den Tod Christi. Der Schluss des Choralvorspiels wird durch das Adagissimo intensiviert, dabei musikalisch auf den Schluss der ersten Strophe „trüg unserer Sünden schwere Bürd wohl an dem Kreuze lange“ bezugnehmend.
Auszug: Wir danken dir, Herr Jesu Christ, BWV 623
Wir danken dir, Herr Jesu Christ,
dass du für uns gestorben bist,
und hast uns durch dein teures Blut
gemacht vor Gott gerecht und gut.
(1568)
Dieses Choralvorspiel bringt die Dankbarkeit und Freude, dass Christus für uns Menschen gestorben ist, vor allem durch Ostinati, die zum ersten Mal in den Choralvorspielen der Passionszeit im Orgelbüchlein zu finden sind, zum Ausdruck.
Wolfgang Kreuzhuber/Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin