DARF ICH BITTEN? mit Maria Helfgott
Mit tänzerischen Kompositionen von Jan Pieterszoon Sweelinck, Camille Saint-Saëns, Marcel Dupré und Astor Piazzolla begeisterte die in Wien lebende Steirerin Maria Helfgott das Publikum im Linzer Mariendom bei ihrem Matineekonzert. Eine halbe Stunde war Tanz auf der Orgel angesagt – das MUSIK AM MITTAG-Publikum belohnte die quirlige Organistin mit lang anhaltendem Applaus.
Unter der Linde mit Jan Pieterszoon Sweelinck
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562–1621) zählt wohl neben Froberger, Bach und Liszt zu den wenigen Tastenspielern, die die Musikgeschichte als Komponist wie als Pädagoge noch Generationen nach ihrem Tod grundlegend geprägt haben. Ungeachtet der englischen, italienischen, niederländischen und spanischen Einflüsse in seinem Tastenwerk steht Sweelinck in der Tradition rheinischer Organisten des 16. Jahrhunderts. Die geregelte Arbeit an einem Ort ermöglichte ihm eine umfangreiche pädagogische Tätigkeit – neben niederländischen Organisten ging auch eine Vielzahl deutscher Organisten in seine Lehre, was ihm bei Musikschriftsteller Johann Mattheson den Ruf eines „hamburgischen Organistenmachers“ eintrug.
Bei der im Konzert erklungenen Komposition „Unter der Linden grune [Onder een linde groen]“, SwWV325, handelt es sich um ein viersätziges Variationswerk über das Volkslied „Unter der Linden grüne“, die niederländische Version der englischen Ballade „All in a garden green“.
Totentanz mit Camille Saint-Saëns
Camille Saint-Saëns (1835–1921) galt als großer Bewunderer der symphonischen Dichtung von Franz Liszt (1811–1886). Sein „poème symphonique“ aus dem Jahr 1874 mit dem Titel „Danse macabre“ nach einem Gedicht des französischen Schriftstellers Henri Cazalis (1840–1909) ist daher nicht nur Ausdruck seines Interesses an mittelalterlichem Aberglauben, sondern auch eine Verneigung vor Liszts „Totentanz“. Denn Saint-Saëns‘ „Danse macabre“, op. 40, erzählt von der Legende, nach der der Tod jährlich zu Mitternacht an All Hallows' Eve die Toten aus ihren Gräbern ruft, damit diese für ihn tanzen, während er auf seiner Geige spielt.
Camille Saint-Saëns (1835–1921): Danse macabre, op. 40 (Ausschnitt) | Rudigierorgel: Maria Helfgott
Die Komposition hat ihre Wurzeln dabei in Saint-Saëns‘ gleichnamigen Kunstlied für Singstimme und Klavier mit dem französischen Text Cazalis‘, das 1872 bei einem längeren Aufenthalt des Komponisten im marokkanischen Tanger entstand. Die Uraufführung der Erweiterung und Umarbeitung in eine Tondichtung am 24. Januar 1875 sorgte für wenig Begeisterung beim Publikum – möglicherweise wurde das Spiel der teuflischen Solovioline mit ihrer auf Es umgestimmten E-Saite als unsauber missverstanden. Schon wenige Jahre später erlangte das Werk allerdings große Bekanntheit und Beliebtheit, sodass Saint-Saëns es sogar mehrfach in seiner Komposition „Le Carnaval des Animaux“, o. op., zitierte. Heute gilt „Danse macabre“ als eines der Meisterwerke des französischen Komponisten. Dementsprechend viele Transkriptionen und Bearbeitungen entstanden davon – unter anderem die Orgeltranskription des englischen Organisten und Komponisten Edwin H. Lemare (1865–1934), die Maria Helfgott für ihre MUSIK AM MITTAG ausgewählt hatte. Saint-Saëns widmete sein Arrangement des Stücks für Klavier vierhändig der französischen Pianistin und Komponistin Caroline Montigny-Rémaury (1843–1913). Ihr ist auch Liszts Transkription desselben Stücks für Klavier zweihändig zugeeignet.
Skizzenhaftes von Marcel Dupré
Marcel Duprés (1886–1971) „Trois Esquisses“, op. 41, entstanden im Jahr 1945, publiziert wurden 1946 allerdings nur das zweite und das dritte Stück als „Deux Esquisses“. Das gebundene Manuskript mit allen drei Stücken entdeckte man erst 1975. Gewidmet ist das klangstarke Werk der Ehefrau von Marcel Duprés Verleger Bornemann. Seine dritte Esquisse (Esquisse No. 2 en si bémol) – überschrieben mit „deciso“ – ist als Oktavenetüde in b-Moll für das Tutti konzipiert. Und „deciso“ – also „bestimmt“ und „entschlossen“ – war auch Maria Helfgotts Interpretation ... einfach voll musikalischer Frauenpower!
Feuriges von Astor Piazzolla
Mit Astor Piazzollas (1921–1992) „Libertango“ gratulierte Maria Helfgott zum Finale schließlich dem „König des Tangos“ zum 100. Geburtstag. Beim Titel des 1974 publizierten Stückes handelt es sich um eine Kontamination der Wörter „Libertad“ (spanisch für „Freiheit“) und „Tango“. Damit markiert die Komposition auch auf sprachlicher Ebene Piazzollas Bruch mit dem klassischen Tango und den Beginn der Entwicklung des „Tango Nuevo“. Piazzollas „Libertango“ zählt heute unbestritten zu den berühmtesten Werken des Komponisten und ist vermutlich auch einer der am häufigsten gecoverten Tangos weltweit.
Stefanie Petelin
Preillumination SeTh/unsplash.com/Unsplash License (Sujetfoto) / Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Konzertfotos)