SOIRÉE EN ROUGE mit Kristian Schneider
Nach der Begrüßung durch Domorganist Wolfgang Kreuzhuber in seiner Funktion als Obmann des Dommusikvereins Linz führte Christoph Niemand charmant durch Kristian Schneiders SOIRÉE EN ROUGE, bei der Musik von drei in enger Beziehung zueinander stehenden KomponistInnen auf dem Programm: Denn Louis Vierne schrieb seine dritte Orgelsymphonie für Marcel Dupré – und Marcel Dupré wiederum gilt als Mentor von Jeanne Demessieux.
Unter den Konzertgästen gesichtet wurden im Linzer Mariendom, der in leuchtendes Rot getaucht war, neben vielen Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern der Evangelischen Kantorei Linz, die Kristian Schneider bis zu seinem Weggang aus Linz im Jahr 2013 geleitet hatte, auch Brett Leighton, emeritierter Orgelprofessor der Anton Bruckner Privatuniversität Linz, P. Altman Pötsch, Regens Chori im Stift Kremsmünster, Domkapellmeister Josef Habringer und Wolfgang Katzböck, früherer Pressereferent der Diözese Linz.
Marcel Dupré: Vielfalt!
Der 1886 in Rouen in eine musikalische Familie hineingeborene Marcel Dupré übernahm 1957 auf Einladung seines Jugendfreundes Paul Paray, dem damaligen Dirigenten des Detroit Symphony Orchestras, das Einweihungskonzert für die neue Aoelian-Skinner-Orgel im Ford Auditorium in Detroit. Sein virtuoses Konzertstück „Triptyque“, op. 51, entstand für diesen Anlass und ist dem Andenken an den Orgelbauer Jean Perroux gewidmet.
In drei Sätzen präsentiert Dupré, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährte, eine große Vielfalt an höchst originellen Klangfarben: Auf eine vielseitige Chaconne folgen eine lebhaft-murmelnde Musette und eine ausgelassene Dithyrambe. Dieser letzte Satz atmet Duprés Empfindung als Musiker: Denn für ihn war die Freude, „eine schöne Orgel in einem monumentalen Raum“ zu spielen, „eine Art Rausch“, wie er in einem Interview im August 1967 zum Ausdruck brachte. Mit Duprés „Triptyque“ berauschte Kristian Schneider das Publikum wahrlich – an einer der schönsten Orgeln Österreichs im größten Kirchenraum des Landes.
Jeanne Demessieux: Geistesgabe!
Jeanne Demessieux, 1921 in Montpellier geboren, wurde bereits in ihrer Jugend als Organistin glühend verehrt – zu ihren Bewunderern zählten Francis Poulenc, Olivier Messiaen und nicht zuletzt Marcel Dupré, der das musikalische Wunderkind als Lehrer begleitete. Die Berufung zur Titularorganistin von La Madeleine in Paris 1962 ist in der zu dieser Zeit noch völlig von Männern dominierten Orgelszene als größter persönlicher Triumph der berühmtesten französischen Orgelvirtuosin zu sehen. Demessieux starb nur wenige Jahre danach – 1968, in dem Jahr, in dem die Rudigierorgel das Licht der Welt erblickte – an einer Krebserkrankung.
Was bleibt, ist ihre Musik: Ihr erstes großes liturgisches Werk für Orgel, die „Sept Méditations sur le Saint-Esprit“, op. 6, aus denen Kristian Schneider eine Auswahl im Konzert musizierte, entstanden zwischen 1945 und 1947. Dokumentiert ist die Entstehung des Zyklus, der als ausdrucksstarkes, persönliches religiöses Bekenntnis der Komponistin interpretiert werden kann, sehr genau in Demessieux‘ Tagebüchern. Aus ihnen wissen wir, dass ihr Lehrer Dupré bei der Konzeption eine wesentliche Rolle spielte: Er regte an, die sieben Gaben des Heiligen Geistes als sieben Meditationen anzulegen, und ermunterte außerdem dazu, den Meditationen biblische bzw. liturgische Texte voranzustellen. Bei Kristian Schneiders berührender Interpretation von Jeanne Demessieux' Komposition konnte man musikalisch in das Mysterium des Heiligen Geistes eintauchen – vom Anruf des Heiligen Geistes in „Veni Sancte Spiritus“ aus der Pfingstsequenz über den Gedanken der Trinität in „Dogme“ bis hin zur Bitte um Trost und Beistand in „Consolateur“.
Louis Vierne: Meisterwerk!
Obwohl von Geburt an nahezu blind, war der 1870 in Poitiers geborene Louis Vierne ein unvergleichlicher Virtuose und Improvisator. 1900 wurde der außergewöhnliche Musiker Titularorganist an Notre-Dame de Paris und wirkte dort bis zu seinem Tod 1937 während eines Konzertes an seiner geliebten Orgel.
Aus Viernes umfangreichem Œuvre ragen die sechs Orgelsymphonien mit ihrer spätromantisch-impressionistischen Tonsprache hervor. Die oft als sein Meisterwerk betrachtete Symphonie No. 3, op. 28, entstand in einer der dunkelsten Zeiten im Leben des Komponisten: Innerhalb weniger Tage starben im März 1911 seine Mutter und sein Mentor Alexandre Guilmant. Eine zusätzliche Enttäuschung für Vierne war, dass man Eugène Gigout anschließend als Nachfolger Guilmants berief – und nicht ihn.
Im Mai begann Vierne mit der Arbeit an seiner Symphonie, die er im September in der Villa Julia-Marie, dem Sommerhaus der Familie Dupré in der Normandie, finalisierte. Gewidmet ist das Werk Marcel Dupré, der seinen ehemaligen Lehrer Vierne in seiner schwierigen persönlichen Lage sehr unterstützt hatte.
Wie schreibt Viernes Schüler Bernard Gavoty so schön über dessen Zugang zur Musik: „Die Musik war sicher seine Hauptleidenschaft: er konzentrierte dabei das allerbeste von ihm selbst und drückte in ihr nur sich selbst aus.“ Dieses Allerbeste von ihm selbst bekam das Konzertpublikum zum Finale (und als Höhepunkt) der SOIRÉE EN ROUGE zu hören – und für alle, die nicht dabei waren, eine kleine Impression zum Nachhören:
Louis Vierne (1870–1937): Symphonie No. 3, op. 28, 3. Intermezzo | Rudigierorgel: Kristian Schneider
Stefanie Petelin
Wolfgang Hasselmann/unsplash.cpm/Unsplash License (Sujet), Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Konzertfotos)