Kristian Schneider im Interview
Was mich an der Rudigierorgel fasziniert ...
... ist die Tatsache, wie vielseitig dieses rein mechanische Instrument in Bezug auf die klangliche Darstellung Musik unterschiedlichster Epochen ist, und wie angenehm es sich spielt.
Warum es für mich die richtige Entscheidung ist, die Orgel zum Instrument des Jahres 2021 zu ernennen …
Das per se großartige Instrument Orgel bekommt so – wie wir sehen – noch deutlich mehr Aufmerksamkeit im öffentlichen Musikleben ... und das hat es sich verdient!
Wunderbar sind die in diesem Zusammenhang entstandenen Aktionen wie die „Doe-Orgel“, eine kleine Pfeifenorgel, die von Schulklassen im Musikunterricht zusammengebaut wird und dann wirklich spielbar ist.
Was ich Marcel Dupré gerne fragen würde …
Da gibt es gleich drei Dinge: Erstens, was er selber als seine gelungenste Komposition für Orgel bezeichnen würde, zweitens, auf welcher harmonischen Grundlage er seine Tonsprache entwickelt hat und drittens, was seine Lieblingsorgel war (eine echt-französische, z. B. von Cavaillé-Coll, oder eine amerikanische Riesenorgel zwar mit unzähligen „Extras“, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen mit einer – sagen wir es mal so – „Allround-Intonation“).
Wie ich Jeanne Demessieux gerne zum Geburtstag gratulieren würde …
Mit einer Einladung zu einem fröhlichen Geburtstagskaffee mit Erwachsenen und Kindern … diese höchst begabte Musikerin muss gerade in der zweiten Hälfte ihres Lebens nach dem Bruch mit ihrem Lehrer Marcel Dupré nach allem, was ich über sie gelesen habe, in menschlicher Hinsicht sehr einsam gewesen sein.
Wie ich Louis Vierne in fünf Worten beschreiben würde …
Sensibel – farbig – virtuos – einfallsreich – humorvoll.
Was mein Konzert mit der Farbe ROT verbindet …
Rot als die liturgische Farbe des Pfingstfestes passt doch nun wirklich perfekt zu den „Sept Méditations sur le Saint-Esprit“ von Jeanne Demessieux, aus denen in meinem Konzert drei Stücke erklingen.
Wenn ich mich mit einem/r Künstler/in oder Komponisten/in aus Vergangenheit oder Gegenwart zum gemeinsamen Musizieren und Plaudern treffen könnte, wäre das ... und warum?
Da gäbe es so viele, dass ich mich schwer entscheiden könnte … und ich bräuchte für jedes einzelne Gespräch furchtbar viel Zeit.
Mein prägendstes musikalisches Erlebnis war ...
Als ich als Kinderchorkind im ersten Gottesdienst, in dem ich mitsingen durfte, auf der Empore sitzend, die Organistin, die dann auch meine erste Orgellehrerin wurde, ein Präludium von Bach (BWV 545,1) spielen hörte und sah, wie sie mit Händen und Füßen agierte – die Begeisterung war geweckt!
Was ich durch Ben van Oosten über französisch-symphonische Orgelmusik gelernt habe …
Dieser Musik (wie überhaupt aller Musik) ist vor allen anderen Dingen vom Ausdruck her, von einem hohen musikalischen Gestaltungswillen aus zu begegnen, nicht vom technischen Virtuosentum her. Folgt man diesem Grundsatz, dann läuft es automatisch auch technisch viel leichter, so schwer die Töne bei manchen Werken sein mögen.
Gerade die Vorstellung, das jeweilige Werk als Orchesterstück zu dirigieren, hilft sehr – geht es um die Gestaltung einer bestimmten Stelle, saßen und sitzen wir oft beide (Ben van Oosten und ich) dirigierend nebeneinander auf der Orgelbank.
Jungen Organistinnen und Organisten möchte ich diese Botschaft mit auf den Weg geben ...
1. In der Musik jeder Epoche kann man ungeheuer Wertvolles lernen und entdecken.
2. Die Mischung der Lehrerinnen und Lehrer macht es aus, seinen eigenen Weg zu finden.
3. Musizieren mit anderen (ob Sängerinnen und Sänger oder Instrumentalistinnen und Instrumentalisten) bringt für das solistische Spiel wertvolle Bereicherungen – ich möchte beispielsweise meine Tätigkeit als Korrepetitor und Liedbegleiter an der Hamburger Musikhochschule während und nach meinem Studium nicht missen …
Was ich in Norddeutschland am meisten vermisse, wenn ich an Linz denke …
Ich bin einfach nicht der Typ, der viel über das nachdenkt, was er vermisst – ich freue mich immer eher an dem, was ich gerade habe, wo ich lebe (also beispielsweise Nordsee statt Alpen), aber: Natürlich würde ich unsere Linzer Patentanten mit ihren Familien, Freundinnen und Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen etc. lieber öfter „live“ sehen als zu telefonieren oder zu skypen.
Kristian Schneider/Stefanie Petelin
Kristian Schneider