ORGELSOMMER: TUBASTISCHer RAUMKLANG
Ein Hoch der Tiefe – das war das Motto dieses TUBASTISCHen Konzertabends! Und genauso legte das Ensemble „Die drei Tubisten“ – bestehend aus Ulrich Feichtner, Matthias Haslinger und Markus Nimmervoll – auch los ... diesem Rausch der Tiefe lauschte das zahlreich erschienene RAUMKLANG-Publikum, darunter auch die drei Bischofsvikare Johann Hintermaier, Maximilian Mittendorfer und Wilhelm Vieböck, Dompfarrer Maximilian Strasser, KU-Rektor Christoph Niemand sowie Orgelreferent Siegfried Adlberger und Domkapellmeister Josef Habringer.
Gregsons musikalische Urrufe
Die drei Absolventen der Anton Bruckner Privatuniversität eröffneten den JubiläumsRAUMKLANG mit dem Stück „Alarum“ aus der Feder des 1945 geborenen, englischen Komponisten Edward Gregson. Der Titel des 1994 für James Gourlay komponierten Stücks für Solotuba leitet sich von einem alten englischen Wort für „Ruf zu den Waffen“ ab. Gregson interpretierte dies als Urruf – daraus resultiert auch die Eröffnungsgeste des Stücks. Das in drei Hauptabschnitte mit unterschiedlicher Charakteristik gegliederte Stück wurde von den drei Tubisten aus unterschiedlichen Positionen des Domes gespielt und sorgte für avantgardistisch-räumliche Klänge.
Kreuzhubers Jubiläums-Improvisation
Die Freiheit, spontan zu sein, nahm sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber in seiner daran anschließenden Improvisation auf der Rudigierorgel – feinsinnig-zarte und farbenreiche Klänge schickte er beim JubiläumsRAUMKLANG in den Kirchenraum der größten Kirche Österreichs.
Bach-Klänge aus allen Richtungen
Ulrich Feichtner und Matthias Haslinger mit ihren Tuben sowie Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab an ihren beiden Orgeln boten mit einem Stück aus der Feder von Johann Sebastian Bach faszinierende Klänge. Auch wenn in der Vergangenheit immer wieder die Autorschaft Bachs angezweifelt wurde: Der Schönheit und Beliebtheit des Werks tut dies keinen Abbruch. Die ursprünglich für Traversflöte und obligates Cembalo komponierte Sonate II Es-Dur, BWV 1031, bestehend aus den drei Sätzen Allegro moderato, Siciliano und Allegro, sorgte für Dolby Surround im Dom. Und so gab es: Bach-Klänge von vorne und von hinten – einfach Bach aus allen Richtungen.
Dubois mal drei für zwei
Beliebte Objekte von Bearbeitungen für zwei Orgeln sind für Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab Werke aus der Feder von Théodore Dubois. Drei Stücke der 1898 bei Novello & Co in London publizierten „Seven Pieces for Organ“ erklangen im JubiläumsRAUMKLANG – eine heitere Marcietta, eine tiefgründige Cantilène religieuse und zuletzt ein strahlendes Postlude-Cantique.
Théodore Dubois (1837–1924): Seven Pieces for Organ: 3. Marcietta | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber | Chororgel: Gerhard Raab
Defaye-Trio vom Tuba-Trio
Mit einem Trio aus den „Six pièces d’audition“ des französischen Filmkomponisten Jean-Michel Defaye brachte das Tuba-Trio den Raum zum Klingen. Bekannt ist der aus Sainte-Mandé nahe Paris stammende Komponist für seine Musik zu der Fernsehserie „Bonne nuit les petits“ und eine große Anzahl von Orchestrierungen der Lieder des Singer-Songwriters Léo Ferré.
Baadsviks norwegische Tubaträume
Verträumt wurde der JubiläumsRAUMKLANG mit Øystein Baadsviks „Ordner Seg (It’ll be alright)“ in einer Bearbeitung für zwei Tuben und zwei Orgeln. Das ruhige Stück verzauberte Interpreten wie Publikum. Über die Entstehung des Stückes hat der gefragte norwegische Solist und Lehrer einmal folgendes verraten: „In Trondheim, wo ich lebe, fehlt die Sonne während des Winters. Eines Tages war ich im Februar in meiner Küche und kochte, als plötzlich ein Sonnenstrahl zum ersten Mal in diesem Jahr durch das Fenster hereinschien. Und mit der Sonne kam eine einfache, friedliche Melodie – wie ein Geschenk ... bereit, orchestriert zu werden.“ Mit Baadsviks „Ordner Seg“ schien dieser Sonnenstrahl musikalisch auch in den nächtlichen Mariendom herein.
Øystein Baadsvik (*1966): Ordner Seg (It'll be alright) | Ensemble „Die drei Tubisten“ | Rudigierorgel: Dommusikassistent Gerhard Raab | Chororgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Herzlichen Dank an Øystein Baadsvik für die Genehmigung der Veröffentlichung der Hörprobe! (Webseite des Komponisten | Facebook-Seite des Komponisten | Bestellmöglichkeit der Noten)
Karg-Elerts Sonnenschein am Bodensee
Die lebenspendende Sonne stand auch im Fokus von Sigfrid Karg-Elerts „The Sun’s Evensong“ aus dem Zyklus „Seven Pastels from the Lake of Constance“, op. 96, von Dommusikassistent Gerhard Raab gefühlvoll an der Rudigierorgel musiziert. In der eher kleinen Gruppe impressionistischer Orgelwerke nimmt die Serie von musikalischen Landschaftsbildern eine besondere Stellung ein. Entstanden ist Karg-Elerts Zyklus während eines Urlaubsaufenthalts in Radolfzell am Bodensee im Sommer 1921. In der Suite wurde seine Musiksprache so bildhaft, dass man das Naturschauspiel, wie die Sonne hinter den Silhouetten der Berglandschaft untergeht, vor sich zu sehen glaubte.
Kulesha total original
Eine Originalkomposition für Solotuba und Orgel schloss an Karg-Elerts Bodensee-Impression an – den ersten Satz aus der 1976 entstandenen „Sonata for tuba and organ“ aus der Feder des kanadischen Komponisten Gary Kulesha musizierte Markus Nimmervoll auf der Tuba und Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Chororgel.
Piazzollas tubastisches Tango-Finale
Wahrhaft TUBASTISCH darf man das Finale des JubiläumsRAUMKLANGs bezeichnen – denn Astor Piazzollas „Adiós Nonino“ in einer Bearbeitung für drei Tuben und zwei Orgeln beschloss den musikalischen Tiefenrausch. Astor Piazzolla, wie Bernstein und Gershwin ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten, erhielt 1959 in Puerto Rico die Nachricht vom Tod seines Vaters Vincente „Nonino“ Piazzolla. Voll Trauer und Heimweh komponierte er nach seiner Rückkehr nach New York dieses Werk in einer halben Stunde – sein Sohn Daniel berichtete darüber: „Papa bat uns, ihn für ein paar Stunden in Ruhe zu lassen. Wir gingen in die Küche. Zuerst herrschte absolute Stille, nach einer Weile hörten wir Papa am Bandoneon. Es war eine sehr traurige, eine schrecklich traurige Melodie.“
Das Stück, das heute zu den bekanntesten und beliebtesten Kompositionen im Œuvre des Argentiniers zählt, basiert auf Piazzollas „Tango Nonino“, den er 1954 in Paris ebenfalls für seinen Vater geschrieben hatte. Piazzolla, der Begründer des Tango Nuevo, behielt die rhythmische Struktur bei, fügte eine stark improvisierende Einleitung sowie eine leidenschaftlich bewegte Melodie hinzu, die einen intensiven emotionalen Kampf und ein Gefühl von Wehmut und Klage vermittelt. „Adiós Nonino“, inzwischen eine Hymne Argentiniens, behielt auch im Gewand für Tuba und Orgel seine Melancholie, sein Gefühl der Nostalgie und sorgte für einen beeindruckenden Schlusspunkt am Ende des JubiläumsRAUMKLANGs. Einfach TUBASTISCH!
Weitere Fotos:
Bildergalerie „RAUMKLANG: TUBASTISCH“ beim ORGELSOMMER 2020 im Mariendom Linz
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Thomas Markowetz (www.fothomarkowetz.at), Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin
14. September 2020