Susanna Soffiantinis ZEIT & RAUM
Johann Sebastian Bach: Praeludium und Fuge in D, BWV 532
Mit Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge in D, BWV 532, eröffnete Susanna Soffiantini ihre MUSIK AM MITTAG. Die Entstehungszeit des Werkes fällt vermutlich in Bachs frühe Weimarer Zeit. 1709 war er als Hoforganist und Mitglied des Hoforchesters von Herzog Wilhelm Ernst nach Weimar geholt worden. Bach beweist in der von Soffiantini musizierten Komposition schon als junger Komponist sein Können – musikalisch wie technisch meisterhaft präsentiert sich das Werk, das von verschiedenen formalen und tonsprachlichen Einflüssen geprägt ist. Ihm gelang es, Elemente der norddeutschen Orgelschule, der französischen Orgelmusik sowie der italienischen Corelli-Stilistik zu einer neuen musikalischen Stilistik zu vereinen.
Praeludium und Fuge sind wohl separat entstanden. Das Praeludium ist dreiteilig konzipiert: Der Beginn des Stückes mit einer D-Dur-Tonleiter aufwärts im Pedal kündigt bereits eine virtuose Komposition an, insbesondere im Pedal. Der einleitende Teil bedient sich der scharfen Rhythmik französischer Orchestersuiten dieser Zeit. Der alla-breve-Mittelteil im fröhlichen Stil corellischer Konzerte präsentiert eine dialogische Wiedergabe auf zwei gleich mächtigen Manualen. Das muntere Treiben wandert dabei zwei Mal in einen Trugschluss nach h-Moll, bevor der dritte Anlauf über eine Fermate in einen verminderten Septakkord führt. Auf diesen dramatischen Abbruch folgt der Schlussabschnitt im Adagio, der einen Stimmungsumschwung herbeiführt und sich reich an harmonischen Überraschungen und Rezitativik im gebundenen Stil darstellt. Die daran anschließende Fuge mit dem quirligen Fugenthema präsentiert sich heiter und freudig. Das virtuose Stück verrät in vielen Details norddeutschen, insbesondere buxtehudischen Einfluss.
Johann Sebastian Bach: An Wasserflüssen Babylon, BWV 653b
Im Anschluss an BWV 532 musizierte Soffiantini ein zweites Werk aus der Feder von Johann Sebastian Bach: die Choralbearbeitung „An Wasserflüssen Babylon – a 5 parti con 2 tastiere e pedale doppio“, BWV 653b. Von dem Choral „An Wasserflüssen Babylon“ liegen drei bachische Versionen vor. Soffiantini hatte sich für ihr Konzert für die fünfstimmige Weimarer Urfassung (entstanden vor 1717) mit Doppelpedal entschieden, bei der der cantus firmus im Sopran liegt. Aus dieser Fassung hatte Bach eine vierstimmige Fassung (BWV 653a) gefertigt. Die dritte Version findet sich schließlich in der Sammlung „Achtzehn Choräle von verschiedener Art“ („Leipziger Choräle“) als BWV 653.
Johann Sebastian Bach: An Wasserflüssen Babylon – a 5 parti con 2 tastiere e pedale doppio, BWV 653b | Rudigierorgel: Susanna Soffiantini
Maurice Duruflé: Prélude et Fugue sur le nom d'Alain, op. 7
Zum Finale der MUSIK AM MITTAG erklang Maurice Duruflés Prélude et Fugue sur le nom d’Alain, op. 7. Der 1902 geborene Duruflé war zunächst Privatschüler von Louis Vierne, dessen 150. Geburtstag 2020 gefeiert wird, und Charles Tournemire. Nach einem Studium an Conservatoire de Paris bei Jean Gallon, Paul Dukas und Eugène Gigout übernahm er das Organistenamt an der Pariser Kirche St. Étienne-du-Mont und reiste als Konzertorganist durch Europa und Amerika. 1943 ernannte man ihm zum Professor für Harmonielehre am Conservatoire de Paris. Ins Jahr 1953 fällt die Hochzeit mit der Organistin Marie-Madeleine Chevalier, einer Schülerin Marcel Duprés. Das Künstlerehepaar trat auch oft gemeinsam auf. Das Paar erlitt im Mai 1975 einen schweren Autounfall, der die musikalischen Karrieren der beiden jäh beendete. Maurice Duruflé starb 1986 in Paris. Der Franzose komponierte vor allem sakrale Vokal- und Orgelmusik. Nur ein kleiner Teil seiner von Gregorianik, Spätromantik und Impressionismus beeinflussten Kompositionen ist zur Veröffentlichung freigegeben, sodass sein Gesamtwerk nur vierzehn mit Opuszahl versehene Werke umfasst. Unter den Orgelwerken ragt das im Konzert musizierte Prélude et Fugue sur le nom d’Alain aus dem Jahr 1942 hervor. Dabei handelt es sich um einen musikalischen Nachruf, eine Hommage an Duruflés Freund und Kollegen Jehan Alain, der auf tragische Weise 1940 im zweiten Weltkrieg in Le Petit-Puy nahe Saumur ums Leben kam. Duruflés Werk arbeitet mit zwei thematischen Elementen – zum einen mit der aus fünf Noten bestehenden Figur ADAAF, die aus dem Namen Alain abgeleitet ist, zum anderen mit einem Zitat von Alains berühmtester Komposition, den „Litanies“. Die harmonische Bandbreite des Tombeaus demonstriert überdies Duruflés meisterhafte Kenntnis chromatischer und modulierter Harmonien.
Für Susanna Soffiantini bedeutet Orgelspielen, wie sie im ORGELSOMMER-Interview verriet, „[...] das große Glück zu haben, aus sieben Jahrhunderten überlieferte Musik als Interpretin genießen zu können und immer etwas Neues von (und über) Menschen und Instrumente zu lernen.“ In ihrer MUSIK AM MITTAG hat sie die Menschen mit diesem Glück erfreut – Applaus war vorprogrammiert.
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Florian Zethofer