Ben van Oosten im Interview
Louis Vierne ist für mich ...
... einer der größten Orgelkomponisten, dessen Œuvre einen Höhepunkt im Orgelrepertoire darstellt.
Was ich Louis Vierne gerne fragen würde ...
Weil die handschriftliche Musiknotation des fast blinden Vierne oft undeutlich war, würde ich ihn gerne wegen mehreren fragwürdigen Stellen in seinen Kompositionen um Aufklärung bitten.
Auch würde ich ihn gerne nach seiner geplanten siebten Orgelsymphonie fragen, von der leider keine Skizzen überliefert sind. Ich wäre sehr interessiert, wie sich sein Stil nach der sechsten Symphonie weiterentwickelt hätte.
Und natürlich würde ich gerne von ihm wissen, ob ich seine Musik richtig interpretiere ...
Am Genre der Orgelsymphonie fasziniert mich ...
... die orchestrale, farbenreiche Orgelbehandlung (dem dynamischen Klangcharakter des Symphonieorchesters entsprechend) und die große formale Anlage dieser umfangreichen „Klanggebäude“. Darüber hinaus ist in Viernes Orgelsymphonien auch die Verwendung der „zyklischen Form“ von großer Bedeutung, wobei er ein oder mehrere Themen in den verschiedenen Sätzen wiederverwendet und je nach Kontext und Charakter des jeweiligen Satzes transformiert. Durch diesen zyklischen Grundgedanken wird eine starke Vereinheitlichung der ganzen Symphonie erreicht.
Improvisieren bedeutet für mich ...
... Instant-Komponieren, also Komponieren im Augenblick. Man muss es können, aber dann muss man es lernen! Eine gute Improvisation ist wie eine Quelle, die immer strömt.
Ein Satz über Viernes „Carillon de Westminster“ ...
Das Vierton-Motiv des „Big Ben-Themas“, das diesem Stück zugrunde liegt, ist an sich musikalisch nicht besonders interessant, aber was Vierne daraus macht, ist einzigartig. Die durchgehende Motorik, die ständige Steigerung der Spannung und die harmonischen Rückungen verfehlen ihre Wirkung nicht – das Stück wurde zu einem der beliebtesten Orgelwerke Viernes überhaupt!
Mit Sergei Rachmaninoff verbinde ich ...
... Russland und Romantik! Es gibt übrigens verschiedene musikalische Berührungspunkte zwischen Rachmaninoff und Vierne: Sie hatten zum Beispiel beide eine sehr poetische Natur. Und: Beide Komponisten können als die letzten Romantiker bezeichnet werden.
Besonders berührt mich an „Stèle pour un enfant défunt“ ...
... die zarte Poesie und die stille Trauer, die Vierne in diesem Stück in seinem so persönlichen Stil zum Ausdruck bringt. Es war das letzte Stück, das Vierne spielte, bevor er während eines Konzertes auf seiner Orgel in Notre-Dame starb und das macht für mich jede Aufführung dieses Stückes zu einem Moment tiefer Emotion.
Frankreich und die Niederlande verbindet ...
... in musikalischer Hinsicht nicht sehr viel. In den Niederlanden war man immer mehr auf (deutsche) Barockmusik fokussiert, auch weil bei uns nicht die richtigen Instrumente für die französische Orgelmusik vorhanden sind ...
Was meine Frau Margaret zur weltbesten Registrantin macht …
Meine Frau Margaret hat die richtigen Qualitäten, um eine sehr gute Registrantin zu sein ... sie ist intelligent, reagiert schnell und trotzdem präzise, sie ist stressresistent und zuverlässig. Nach einer kurzen Probenzeit kennt sie die Position der Orgelregister auswendig, sogar von umfangreichen mechanischen Orgeln. Außerdem registriert sie „musikalisch“, weil sie selber Sängerin ist, das heißt: Sie spürt genau mein Timing und meine Rubati; so entsteht ein musikalisches „Mitatmen“. Dadurch habe ich in dieser Hinsicht keine Sorgen oder Ablenkung und kann mich völlig auf das Musizieren konzentrieren.
Warum die Rudigierorgel inspirierend für mich ist ...
Obwohl im Grunde geprägt von einer barocken Ästhetik ist die Rudigierorgel dennoch ein vielseitiges Instrument. Auf einer qualitativ so hervorragenden Orgel wie dieser kann man eigentlich Orgelwerke aus allen Stilepochen überzeugend darbieten. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass diese Orgel sich auch im französisch-symphonischen Repertoire sehr wohl fühlt! Es ist für mich immer eine ganz große Freude, Musik von Widor oder Vierne auf diesem Instrument zu spielen. Dazu trägt natürlich auch der großartige Raum des Domes bei ...
Wenn das Orgelkonzert im Mariendom Linz nicht stattfinden würde, dann ...
... würde ich sehr bedauern, das Vierne-Programm nicht auf der Rudigierorgel im großartigen Dom spielen zu können und dem Publikum die Schönheit dieser Musik nicht vermitteln zu dürfen!
Warum man sich die VIERNE VARIATIONS auf keinen Fall entgehen lassen darf ...
... weil die ausdrucksvolle Musik von Louis Vierne die Seele berührt!
Ben van Oosten/Stefanie Petelin
Ben van Oosten