Bernd Geißelbrechts KONTRASTE
Seine MUSIK AM MITTAG voller KONTRASTE eröffnete Bernd Geißelbrecht mit einem Werk aus der Feder von Christian Minkowitsch, der 2005 entstandenen und in Herzogenburg uraufgeführten Choralimprovisation 05 Nun freut euch, ihr Christen.
Im Fokus: Christian Minkowitsch
Christian Minkowitsch, 1962 in Wien geboren, studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien Tonsatz bei Dietmar Schermann sowie Komposition bei Heinrich Gattermeyer und Erich Urbanner. Er unterrichtete ab 1991 Tonsatz, Komposition sowie Kompositionstechniken des 20. und 21. Jahrhunderts am früheren Konservatorium Wien, der heutigen Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Bis 2003 war Minkowitsch als Organist in Greifenstein an der Donau und in der Pfarre Neusimmering in Wien tätig. Seinen kompositorischen Schwerpunkt bildeten kammermusikalische Werke und Solostücke für Klavier und Orgel, daneben auch Werke für Orchester und Chor, die im In- und Ausland aufgeführt wurden. 2018 starb Minkowitsch bei einem Verkehrsunfall in Ebensee.
Im Anschluss an Minkowitschs Choralimprovisation musizierte Bernd Geißelbrecht Johann Nepomuk Davids Choralvorspiel „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“ aus Heft 2 des Choralwerks, das zwischen 1932 und 1935 komponierte Werke umfasst.
Im Fokus: Johann Nepomuk David
Johann Nepomuk David wurde 1895 in Eferding als viertes von dreizehn Kindern einer musikliebenden Familie geboren. 1906 bis 1909 war er Sängerknabe im Stift St. Florian, 1909 bis 1911 war er Schüler am Stiftsgymnasium Kremsmünster. An der bischöflichen Lehrerbildungsanstalt in Linz schlug David von 1912 bis 1915 seinen beruflichen Weg als Lehrer ein. Er unterrichtete nach seiner Ausbildung in den Volksschulen Peterskirchen (1915 bis 1920) und Waizenkirchen (1920 bis 1924). 1921/1922 gewährte man ihm ein Studium an der Musikakademie und an der Universität in Wien bei Joseph Marx und Guido Adler. 1922 bis 1924 hatte er die musikalische Leitung der Linzer „Kunststelle“ inne. 1923 heiratete er die musikalisch begabte Kaufmannstochter Berta Ebyl – der Ehe entspringen zwei Söhne, Thomas und Lukas. 1924 bis 1934 unterrichtete David in Wels, wo er ab 1926 den von ihm gegründeten Bachchor Wels leitete und ab 1930 als Organist an der evangelischen Christuskirche wirkte. 1934 bis 1945 war David Lehrender für Theorie, Komposition und Chordirigieren sowie Leiter der Kantoreien am Landeskonservatorium bzw. der Hochschule für Musik in Leipzig. In dieser Zeit beginnt die lebenslang andauernde, freundschaftliche Beziehung zum Verlag Breitkopf & Härtel. 1943 wurde seine Leipziger Wohnung ausgebombt – bei dem tragischen Vorfall wurden zahlreiche Manuskripte zerstört. Ab 1945 wirkte David zwei Jahre als Professor für Komposition sowie als Leiter der Kantorei und kommissarischer Leiter des Salzburger Mozarteums, bevor er 1948 als Professor für Theorie und Kontrapunkt an die Staatliche Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart wechselte und bis zu einer Erkrankung 1963 in dieser Position verblieb. 1977 starb David in Stuttgart – er wurde zunächst auf dem Pragfriedhof in Stuttgart beigesetzt, bevor er 1978 in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof überführt wurde. Davids Orgelwerk umfasst 20 choralfreie und 50 choralgebundene Stücke unterschiedlicher Länge und Form.
Im Anschluss an Davids Choralvorspiel musizierte Bernd Geißelbrecht die Estampie 1 aus dem Robertsbridge Codex aus dem 14. Jahrhundert – dieser Stampftanz zählt zur ältesten erhaltenen Orgelmusik überhaupt.
Robertsbridge Codex (um 1330): Estampie Nr. 1 | Rudigierorgel: Bernd Geißelbrecht
Im Fokus: Robertsbridge Codex
Beim Robertsbridge Codex handelt es sich um die älteste erhaltene Quelle mittelalterlicher Musik für Tasteninstrumente. Damit stellt es ein einzigartiges, höchst wertvolles Dokument der frühen Instrumentalmusik dar. Das Fragment enthält sechs anonyme Instrumentalkompositionen – drei in Form der Estampie, eines in der italienischen Tanzform des Trecento sowie drei Arrangements von Motetten. Benannt ist das Fragment nach der Handschrift, in der es zu finden ist, einer Chronik aus der Abtei Robertsbridge von 1308 bis 1333. Heute befindet sich der Robertsbridge Codex in der British Library.
Geißelbrecht interpretierte im Anschluss an die Estampie Nr. 1 erneut ein Werk des gebürtigen Eferdingers Johann Nepomuk David – und zwar das Choralvorspiel „O Lamm Gottes unschuldig“ aus Heft 2 des Choralwerks. Zum Finale musizierte Geißelbrecht Davids Chaconne a-Moll aus dem Jahr 1927, über die der Vöcklabrucker Organist im ORGELSOMMER-Interview im Vorfeld der MUSIK AM MITTAG verraten hatte: „Ich würde Johann Nepomuk David gerne fragen, warum er seine Chaconne in a Moll, ein Werk aus seiner frühen Schaffensperiode, später gering geschätzt hat.“ Denn für Geißelbrecht selbst ist dieses Werk „aufgrund der Verschmelzung von spätromantischem, expressivem Charakter mit kunstvoller Polyphonie ein Meilenstein der Orgelliteratur des 20.Jahrhunderts“, das er gerne gemeinsam mit David an der Rudigierorgel einregistriert hätte.
Diese Unterstützung beim Registrieren hätte er allerdings gar nicht gebraucht – seine MUSIK AM MITTAG mit musikalischen KONTRASTEn durch Musik aus alter und neuer Zeit begeisterte das Publikum, das Bernd Geißelbrecht mit lautem Applaus für seine KONTRASTE belohnte.
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Florian Zethofer