Ines Schüttengrubers CHANGES
Ines Schüttengruber – gestern noch beim Finale ihrer Sommerkonzertreihe im Stift Melk, heute schon im Mariendom Linz bei der MUSIK AM MITTAG unter dem Motto CHANGES.
Johann Sebastian Bachs virtuoses „Präludium und Fuge a-Moll“
Mit Johann Sebastian Bachs (1685–1750) Präludium und Fuge, BWV 543, eröffnete Schüttengruber ihre MUSIK AM MITTAG klassisch und sehr virtuos, denn das technisch anspruchsvolle Stück verlangt dem Interpreten oder der Interpretin große Virtuosität in Händen und Füßen ab. Das vermutlich aus Bachs Weimarer Zeit stammende Werk zeigt dabei zwei unterschiedliche Entwicklungsstadien im Werk des großen Meisters: Während der toccatenähnliche Auftakt des Präludiums noch Spuren von Bachs frühem, norddeutsch beeinflusstem Stil („Stylus phantasticus“) trägt, zeigt sich die Fuge als reifes Bach-Werk, die mit einer der virtuosesten Kadenzen Bachs in harmonischem Moll endet.
Zsolt Gárdonyis jazzige „Mozart Changes“
Moderner wurden die Klänge mit Zsolt Gárdonyis (*1946) angejazzt heiterem Orgelstück „Mozart Changes“. Das Werk aus der Feder des gebürtig aus Budapest stammenden Organisten, Musiktheoretikers und Komponisten entstand 1995 als Auftragskomposition für das Oklahoma Mozart Festival in Bartlesville (USA) und kreist fortwährend um zwei tänzerische Motive aus dem finalen Satz von Wolfgang Amadé Mozarts letzter Klaviersonate in D-Dur, KV 576, auch „Jagdsonate“ genannt.
Der Titel des Werkes spielt dabei auf einen Ausdruck aus der Jazzharmonik an und lässt sich in etwa mit „Mozart’sche Akkordwechsel“ übersetzen. Die auf der Stufenfolge VI – II – V – I basierende und im 18. Jahrhundert häufige Akkordfolge, die gerne auch im Jazz angewendet wird, zieht sich nahezu durch das ganze Werk. In ihrer Heiterkeit ermöglichen diese tänzerischen Motive eine zusätzliche Bedeutung für das Wort „Changes“ – man denke dabei nur an (Ver-)Änderungen, Wechsel, Abwechslungen und Verfärbungen ...
Gardonyi – als Komponist zwar der Tonsprache seines Vaters Zoltán Gárdonyis folgend – entwickelte eine individuelle Tonsprache, die er auch in seinen „Mozart Changes“ zum Ausdruck bringt. Gedanken über „Orgelmusik und Komponieren heute“ verraten Einflüsse seiner Tonsprache: „Von meiner Kindheit an liebte ich die Musik von Bach, Debussy und Ravel ebenso wie die Harmonien des Jazz. Meine spätere Begeisterung für die Kompositionen von Frank Martin und Olivier Messiaen sowie meine persönlichen Begegnungen mit diesen Meistern bedeuteten mir dann sowohl für meine Konzerttätigkeit als Organist als auch für das Komponieren wesentliche Impulse.“[1]
Zsolt Gárdonyi (*1946): Mozart Changes | Rudigierorgel: Ines Schüttengruber
(Mit freundlicher Genehmigung von Zsolt Gárdonyi | Webseite des Komponisten | Bestellung der Noten beim HEBU Musikverlag)
Wolfgang Sausengs tänzerisches „Ballo per organo“
Wolfgang Sausengs (*1956) „Ballo per organo“ entstand im Jahr 1993, uraufgeführt wurde es schließlich am 26. Februar 1994 in der Grazer Minoritenkirche von Organistin Ulrike Theresia Wegele. Im Vorfeld hatte Ines Schüttengruber im ORGEL.SOMMER-Interview verraten: „Ich schätze Wolfgangs Kompositionen sehr und spiele sie immer wieder mit großer Begeisterung.“ Und offensichtlich beruht diese Wertschätzung auf Gegenseitigkeit, denn Schüttengruber durfte sich nach ihrer Interpretation des Werkes an der Linzer Rudigierorgel besonders freuen, war Komponist Wolfgang Sauseng doch extra aus Wien angereist, um der Aufführung im Rahmen der MUSIK AM MITTAG beizuwohnen.
Selbst äußerte sich der gebürtige Grazer über seinen „Ballo per organo“ in einer Werkeinführung so: „Der ‚Ballo per organo‘ benützt neben anderen Vorlagen den ‚Ruggiero‘, eines der bekanntesten Bassmodelle im Europa des 16. Jahrhunderts. Das Stück stellt ein großes, nächtliches Tanzfest dar und ist unter anderem inspiriert von Sequenzen aus dem Film ‚Viridiana‘ [1961] von Luis Buñuel sowie von der Novelle ‚Die Maske des roten Todes‘ [1842] von Edgar Allen Poe [...] Neben den ‚dignissime madonne‘, die durch das Ruggieromodell charakterisiert sind, treten bei diesem Fest auch rüde Gestalten und Bettler auf, die das Sauflied ‚Quand je bois du vin clairet‘ [1530] von Pierre Attai[n]gnant anstimmen. Martin Luther schrieb 1524 ‚Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen‘. So tritt auch der Tod zur Tür herein, um sich eine kleine Weile mit den anwesenden Gästen im Tanze ‚durcheinander zu winden‘.“[2]
Durcheinander zu winden brauchte man sich beim Applaus des Publikums nach dieser beschwingten MUSIK AM MITTAG nicht – der war eindeutig ...
Anmerkungen:
[1] Gárdonyi, Zsolt (2018): Orgelmusik und Komponieren heute. In: Pinto, Tiago de Oliviera (Hrsg.) (2018): Festschrift anlässlich der Nominierung des Orgelbaus und der Orgelmusik zum UNESCO Immateriellen Kulturerbe der Menschheit 2017. URL: http://www.gardonyi.de/orgelmusik.pdf [Stand: 09/2019]
[2] Sauseng, Wolfgang (o.A.): Ballo per organo. URL: http://www.wolfgang-sauseng.at/listofworks.html [Stand: 09/2019]
Stefanie Petelin
InspiredImages/pixabay.com/CC0 1.0, Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin