ORGEL.SOMMER: Ben van Oostens BONJOUR, MONSIEUR BACH
Ben van Oosten. Er gilt als einer der wegweisenden Interpreten der symphonischen französischen Orgelmusik. Der Niederländer zählt zweifellos zu den bedeutendsten Organisten der Gegenwart. Mit seinem Besuch in Linz unterstrich der Ausnahmekünstler wieder eindrucksvoll seinen Rang in der Orgelwelt.
Die Kombination von Interpret, Instrument und Programm war bei BONJOUR, MONSIEUR BACH demnach eine ausgezeichnete: Einer der besten Organisten weltweit auf einer der besten Orgeln des 20. Jahrhunderts – auch weltweit – mit einem spannenden Konzertprogramm, das sich Johann Sebastian Bach und symphonisch-französischer Orgelmusik widmete. Ben van Oosten, der für seine Gesamteinspielungen von Orgelwerken César Francks, Alexandre Guilmants, Camille Saint-Saëns‘, Louis Viernes und Charles-Marie Widors mit mehreren internationalen Schallplattenpreisen ausgezeichnet wurde, erschuf im Mariendom ein einmaliges Klangerlebnis, das dem Publikum sicher unvergessen bleiben wird und einen grandiosen Auftakt des ORGEL.SOMMERs 2019 im Mariendom bildete.
Johann Sebastian Bach – fantastisch im Original und in der Bearbeitung
Mit Johann Sebastian Bachs Fantasie und Fuge in g-Moll, BWV 542, eröffnete der Ausnahmekünstler das Orgelkonzert. Auch knapp 300 Jahre nach seiner Entstehung hat dieses Werk Bachs nichts von seiner unglaublichen Kraft und Brillanz verloren. Datiert wird die Fuge nämlich auf das Jahr 1720 – man nimmt an, dass Bach sie anlässlich seiner Bewerbung um die Organistenstelle an St. Jacobi in Hamburg improvisierte und später zu Papier brachte. Möglicherweise verneigte sich Bach in der Wahl des Themas der Fuge mit Bezug auf das niederländische Volkslied „Ik ben gegroet van“ vor dem Niederländer Johann Adam Reincken – und der Niederländer Ben van Oosten verneigte sich im Konzert mit seiner Stückauswahl wiederum vor dem großen Bach. Im Interview im Vorfeld des Konzerts hatte er bereits seine Begeisterung für Bach zum Ausdruck gebracht und erklärt: „Ihn würde ich gerne so viel fragen, weil man von ihm heute nicht allzu viel weiß ...“
Bachisch blieben die Klänge auch beim zweiten Stück. Mit dem zweiten Satz (Largo ma non tanto) des Doppelkonzertes für zwei Violinen in d-Moll, BWV 1043, in einer Bearbeitung für Orgel aus der Feder von Bernard Winsemius präsentierte Ben van Oosten ein inniges Zwiegespräch zweier Solostimmen über der harmonischen Begleitung in Form eines tänzerischen Siciliano. Das ausgezeichnete Arrangement des um 1730 in Leipzig entstandenen Werks bestach im Konzert mit wunderbar schillernden Klangfarben in den Registrierungen und feinsten Nuancen in der Interpretation. Van Oosten zauberte an der Rudigierorgel ein exzellentes Klangbild, das das Publikum innig berührte.
Symphonische Orgelmusik von Franck, Dupré und Widor aus Frankreich
Mit César Francks (1822–1890) berühmtem drittem Choral in a-Moll, FWV 40, aus dem Jahr 1890 entführte Ben van Oosten das Publikum auf eine musikalische Reise nach Frankreich. Das für die Basilika Sainte-Clotilde komponierte und Francks Studentin und Bewunderin Augusta Holmès gewidmete Stück faszinierte durch Ausdrucksstärke und Virtuosität – damit weist Francks brillanter dritter Choral deutliche Parallelen zu Johann Sebastian Bachs Musik auf, wie Ben van Oosten auch im Interview näher ausführte.
Im Anschluss an Franck erklang Marcel Duprés (1886–1971) Regina Cœli, op. 64, das vor genau 50 Jahren im Jahr 1969 entstand. Dem Stück des Titularorganisten von Saint-Sulpice in Paris dienten die ersten elf Töne der österlichen Marienantiphon „Regina coeli laetare“ als Vorlage – Ben van Oosten stellte eine sensibel musizierte Fassung dieses musikalischen Geflechts von zwei beziehungsweise drei Stimmen mit immer neuen Modulationen und Tonlagen vor.
Mit einem Höhepunkt der französischen Orgelmusik endete das Konzert offiziell, Charles-Marie Widors (1844–1937) berühmter sechster Symphonie in g-Moll, op. 42/2. Widor, Duprés Vorgänger als Titularorganist an der für ihn enorm inspirierenden Cavaillé-Coll-Orgel von Saint Sulpice, komponierte dieses fünfsätzige Meisterwerk zwischen seinem Bayreuth-Besuch im August 1876 und der Mitte des Jahres 1878. Die Uraufführung spielte Widor selbst am 24. August 1878 im Beisein von Franz Liszt zur Einweihung der Cavaillé-Coll-Orgel im
Großen Saal des Palais du Trocadéro im Rahmen der Pariser Weltausstellung. Mit der leidenschaftlichen Beweglichkeit des Werkes erschloss er eine der Orgel bis dahin unbekannte Ausdruckswelt – eine Ausdruckswelt, die Ben van Oosten mit seinen fein differenzierten Registrierungen und seiner musikalisch ausgezeichneten Interpretation im Linzer Mariendom grandios unterstrich und für Gänsehautmomente beim Publikum sorgte.
Charles-Marie Widor (1844–1937): Symphonie No. 6 en sol mineur, op. 42/2: 5. Finale (Ausschnitt) | Rudigierorgel: Ben van Oosten
„Besser geht’s einfach nicht“, meinte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber nahezu sprachlos. Vielleicht hängt das auch mit van Oostens Nähe zu Widor zusammen – denn für die erste umfangreiche Widor-Biographie beschäftigte sich der Künstler eingehend mit dem französischen Komponisten, Organisten, Pädagogen und Essayisten und kam dabei auch in Berührung mit Widors Großnichte, die den großen Meister noch persönlich gekannt hatte.
Stehende Ovationen und nicht enden wollender Applaus bewogen den Widor-Spezialisten am Ende dieses nahezu atemberaubenden Konzerts zu einer Zugabe – nämlich ein Andantino in As-Dur aus César Francks Pièces posthumes, FWV 24. Wie im gesamten Konzert zeigte van Oosten auch hier seinen fulminanten Umgang mit der Rudigierorgel – er agierte wahrlich auf beeindruckende Weise mit der Königin der Instrumente. Nicht minder beeindruckte Ben van Oostens Gattin Margaret, die ihre Aufgabe als Registrantin brillant erfüllte – und zwar alleine! Ein eingespieltes Team im wahrsten Sinne des Wortes – in der Musik und auch im Leben.
Phänomenal und überragend, farbenreich und brillant!
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber schätzte sich glücklich, für den Auftakt des ORGEL.SOMMERs 2019 im Mariendom Linz den hochkarätigen niederländischen Musiker gewonnen zu haben. Und Ben van Oosten war der Einladung an die Rudigierorgel liebend gerne gefolgt, kannte er das Instrument doch bereits von seinem Konzert im Jahr 2007.
Kreuzhuber zeigte sich begeistert von dem „phänomenalen Konzert“, das durch „überragende, technisch perfekte, musikalisch beeindruckende Interpretationen bedeutender Werke der Orgelliteratur“ überzeugte und mit seinen „wunderbaren Registrierungen“ ein „besonderes klangliches und farbenreiches Erlebnis“ bot.
Vom Konzert begeistert zeigte sich aber nicht nur Domorganist und Dommusikvereinsobmann Wolfgang Kreuzhuber – auch Domkapitular und Dompfarrer Maximilian Strasser (gleichzeitig auch Obmann der Kommission für Kirchenmusik der Diözese Linz) schwärmte nach dem Konzert von dem Klangreichtum und der Expressivität, der Brillanz und der Vitalität von Künstler und Interpretation.
Im Publikum vernahm man ausschließlich Begriffe wie „phänomenal“, „großartig“, „überragend“, „wunderbar“ oder „unglaublich“ – Ben van Oostens Konzert BONJOUR, MONSIEUR BACH, ein inspirierendes Konzert der Extraklasse, ein Konzert, bei dem Superlative einfach nicht ausreichen …
Weitere Informationen zum ORGEL.SOMMER 2019 im Mariendom Linz
Stefanie Petelin
Elias Gottlob Haußmann/wikimedia.commons.org/PD (Porträt) und Comfreak/pixabay.com/CC0 1.0 (Hintergrund) | Patricia Lang (Gestaltung), Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin
8. Juli 2019