Musikalisches und sprachliches Pointenfeuerwerk
Feature zum ORGEL.KABARETT „Beruf: Organist/in. Umgeben von lauter Pfeifen.“ | Gestaltung: Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin | Mit freundlicher Genehmigung von Autor Rudolf Habringer.
Wer bisher dachte, Orgeljubiläen könnten nur mit Konzerten, Gottesdiensten oder Symposien gefeiert werden, irrt – denn anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Rudigierorgel“ hatte sich der Dommusikverein Linz am 6. Februar 2019 als Gast in der Anton Bruckner Privatuniversität Linz einquartiert und zum einzigartigen ORGEL.KABARETT mit Rudolf Habringer und Wolfgang Kreuzhuber geladen.
Kunst trifft Alltag – vom Elektriker bis zum Pfarrer, von der Brautmutter bis zum Organisten!
Glockengeläute. Alexandre Guilmants festlicher „Grand Chœur triomphal“ erklingt. Plötzlich erlischt das Licht, die Orgel hat keinen Wind mehr. Sie „säuft ab“, wie Orgelkundige zu sagen pflegen. In die Dunkelheit des Stromausfalls hinein ein forsch auftretender Techniker im Arbeitsmantel mit Taschenlampe: „Herst, des gibt’s jå net, herst! Jetzt spielt er ma extra z’Fleiß eine. Håt der des net ghert, herst? Des wår doch ausgmåcht, des håb i ihm doch ausführlichst erklärt.“ Darauf ein detailreicher, zorniger Monolog über den übenden Organisten, der sich am flackernden Orgellämpchen stört und die Warnung, während des Glockenläutens aufgrund der elektrischen Anlage von 1952 nicht Orgel zu spielen, missachtet. Soweit die bereits zu schallendem Gelächter führende Anfangsszene des ORGEL.KABARETTs mit Rudolf Habringer und Wolfgang Kreuzhuber.
Zahlreiche Protagonisten rund um die Orgel gesellten sich im Laufe des Abends in einem kurzweiligen Spiel mit Tönen, Soziolekten und Dialekten hinzu: So kamen im vierteiligen „Pleno Organo“ der musikalisch wenig interessierte Pfarrer, eine resolute Putzfrau, ein unwilliger Mesner und der Organist selbst zu Wort. Darin erklang ein eigens für den Abend komponierter Choral in Variationen, bis zuletzt der Organist selbst in Choralform sein Leid klagte: „Wenn ich zum Auszug spiele mit Blick auf den Altar, so hab ich denn zum Ziele die große Hörerschar. Doch wenn erklingt am Ende mein edler Schlussakkord, wie ich ihn dreh und wende – die Hörer sind schon fort!“
Für zahlreiche Lacher sorgte im Anschluss auch der Brief eines Organisten mit der Schilderung einer Hochzeitsbesprechung mit Braut, Bräutigam und Brautmutter, die den Organisten mit einem lebenden Wurlitzer verwechseln und ihn schließlich mit einem „Ave-Maria-Hybriden“ aus Bach-Gounod und Schubert beauftragen. Gekicher bei Wolfgang Kreuzhubers musikalisch geschicktem „Ave-Maria-Mix“ aus den beiden wohl berühmtesten „Ave Maria“-Fassungen war damit vorprogrammiert.
Eine Hochzeit stand auch bei einem Autohändler im Fokus, der vom schönsten Tag im Leben seiner Tochter berichtet. Kaum zu glauben, was der Organist da alles so an Wünschen erfüllen soll – vom James-Bond-Thema bis zu „You raise me up“.
Die Leiden des jungen Organisten – in Musik und Sprache!
Natürlich nahmen die beiden Künstler auch die Leiden der Orgel selbst aufs Korn – wie zum Beispiel bei einem Blick in die Pfarrkirche St. Blasius auf der Sulzwiese: Wunderschön beginnt da die Organistin mit Josef Rheinbergers „Cantilene“ – bis die Tasten hängen bleiben und dieser sogenannte „Heuler“ das Stück zerstört. Auch hier sorgte Wolfgang Kreuzhuber mit einer Modulation für viele Lacher.
Mit einem Gespräch zwischen der Familie Suchanek und einem jungen Organisten leitete Habringer das Ende des lachmuskelstrapazierenden Kabarettabends ein: Das orgelbegeisterte Ehepaar Suchanek entpuppt sich darin als nicht ganz fachbeflissen, freuen sich die beiden doch auf eine „Ventimiglia“ statt einer „Passacaglia“ oder eine „Dakota“ statt einer „Toccata“. Mit einer solchen improvisierten „Dakota-Toccata“ von Wolfgang Kreuzhuber endete der Abend, der dem Publikum wohl eindrucksvoll beweisen konnte: Oft umgeben mehr Pfeifen die Orgel als man zu vermuten glaubt.
Rudolf Habringer und Wolfgang Kreuzhuber – das perfekte Gespann!
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber. Viele kannten ihn bisher ausschließlich als souveränen Begleiter bei Gottesdiensten, als faszinierenden Interpreten beim Literaturspiel und als grandiosen Improvisator bei Konzerten – mit dem ORGEL.KABARETT hat sich der Kirchenmusiker nun auf ein neues Terrain vorgewagt.
Seinen kongenialen Partner bei diesem Experiment hat Kreuzhuber in dem selbst musizierenden und orgelbegeisterten Autor und Kabarettisten Rudolf Habringer gefunden – so erzählt Kreuzhuber: „Mich fasziniert immer wieder Rudolf Habringers genaue Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit, auf originelle Weise und mit einer enormen Vielseitigkeit mit Sprache zu spielen – schreibend und lesend. In seinen Texten spürt man die große Empathie für die Menschen, deren Schwächen er überzeichnet – und genau das macht seinen Zugang außergewöhnlich.“
Ähnlich klingen Rudolf Habringers Gedanken über seinen musikalischen Sparringpartner beim ORGEL.KABARETT: „Ich kenne Wolfgang Kreuzhuber schon seit dreißig Jahren und staune immer wieder über seine stilistische Bandbreite und seine improvisatorischen Fähigkeiten. Dass jemand ein Choralvorspiel mit allen formalen Raffinessen so aus dem Stand improvisiert, dass es eigentlich druckreif wäre, beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue.“
Kirchenmusik und Kabarett – eine außergewöhnliche Kombination!
Gemeinsam hat das Künstlerduo ein kurzweiliges und – nicht nur für Kirchenmusikbegeisterte oder Orgelfans – höchst amüsantes Programm erarbeitet, dessen Ausgangspunkt die Arbeitssituation von Organistinnen und Organisten war, die bekanntlich immer in einem sozialen Rahmen angesiedelt ist, in dem es Spannungen geben kann: „Gerade banalste Umstände können Gelegenheit für Konflikte ergeben. Das Erhabene und das Banale sind oft nicht weit voneinander entfernt. Die Kunst trifft auf den Alltag“, weiß Rudolf Habringer. Besonders gereizt hat den Meister der Satire schon in der Vorbereitung die ungewöhnliche Paarung mit der Orgel: „Die Kombination ist ungewöhnlich … die Orgel gilt doch gemeinhin als sehr seriöses Instrument.“
Diese Seriosität kennt auch Wolfgang Kreuzhuber gut: „In der Kirchenmusik kommt der Humor leider oft zu kurz. Oft beschränkt sich der Humor auf den Faschingssonntag und mitunter wird humorvoll auch mit beschwingt verwechselt … humorvoll ist es zum Beispiel, wenn man seiner Orgel zum 50. Geburtstag zum Auszug beim Gottesdienst eine Improvisation mit ‚Happy Birthday‘ schenkt ... da kann ich mit Humor Menschen in einer Situation überraschen, in der sie nicht damit rechnen …“ Denn: „Die eigentlich humorvollen Geschichten schreibt bekanntlich das Leben selbst“, ist sich der langjährige Kirchenmusiker sicher.
„Feuerwerk an sprachlichen und musikalischen Pointen“ – ein begeistertes Publikum!
Begeistert zeigte sich das bunt gemischte Publikum von diesem „Feuerwerk an sprachlichen und musikalischen Pointen“ im ausverkauften Kleinen Saal der Anton Bruckner Privatuniversität. Der minutenlange, tosende Applaus von Groß und Klein verriet den beiden Künstlern, dass ihr Kabarettexperiment aufgegangen war. Aus zahlreichen Ecken hörte man über das Projekt der beiden ORGEL.KABARETT-Pioniere: „Einfach nur genial!“, „Ein Hammer!“, „Es war so witzig, es hätte noch viel länger dauern können …“ oder „Sensationell umgesetzt!“.
Fragen wie „Und wann gibt’s den zweiten Teil?“ oder „Wann geht ihr damit auf Tournee?“ zeigten das große Potential, das in der Kombination aus Orgel und Satire steckt. So fasste ein Zuseher seine Empfindung nach dem Kabarettabend zusammen: „Ich war auf vieles gefasst, aber nicht darauf, dass mir die Tränen kommen vor Lachen!“ Auch so mancher Organist, so manche Organistin im Publikum erkannte sich in der einen oder anderen geschilderten Episode wieder: „Der subtile Humor, die Geschichten über teilweise skurrile Gegebenheiten, die jeder Organist und jede Organistin zumindest einmal schon erlebt hat, waren die Säulen eines kurzweiligen hoch unterhaltsamen und unheimlich lustigen Orgelkabaretts. Vor allem von der genialen musikalischen Fortführung bzw. Aufarbeitung der Erzählungen war ich begeistert.“
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin