Zunächst galt es, den Platz für die bestmögliche Aufstellung der Rudigierorgel zu finden. Relativ schnell kristallisierte sich der Westchor (eigentlich der Nordchor) des Linzer Mariendoms als optimaler Ort für die neue Orgel heraus.
Die Verantwortlichen haderten dabei jedoch zunächst damit, dass bei diesem Aufstellungsort die große Turmrosette vom Kirchenraum aus nicht mehr sichtbar sein würde. Die ersten Entwürfe für das Orgelgehäuse der Rudigierorgel aus der Feder des Wiener Orgelsachverständigen Egon Krauss (1905–1985) schlossen unmittelbar an den ersten Dispositionsentwurf vom März 1959 an und zeugen von dem Ringen um die optimale Platzierung des Orgelgehäuses unter Berücksichtigung der freien Sicht zur Rosette.
Entwurf einer möglichen räumlichen Gestaltung der Empore im rückwärtigen Teil des Mariendoms von Egon Krauss (undatiert).
© Krauss-Archiv im Stift Schlägl
„Z.[achariassen] wird nun mit DG. Anderson und mit Jörgen [sic!] Z.[achariassen] (das ist ein mir sehr gut gefallender Sohn) die vorläufig endgültige Aufstellung für Linz zeichnen.
Der Prospekt soll wie Rotterdam – große Orgel, wo eben der Vertrag unterzeichnet wurde, auch viel kleine Pfeifen erhalten zur Belebung und aus klanglichen Gründen.
Es werden auch Principalverdopplungen mit Spiegelpfeifen (wie Alkmaar-Groote) zur Anwendung kommen.“
(Egon Krauss an Hermann Kronsteiner, 29. Juni 1959)
Gehäuseentwurf für die Rudigierorgel im Mariendom von Egon Krauss (undatiert).
© Krauss-Archiv im Stift Schlägl
Bereits in seinen ersten Entwürfen wies Egon Krauss auf die besondere Bedeutung eines Doppelpfeifenprospektes aus klanglicher und architektonischer Sicht hin. Diese Idee entsprang seiner Kenntnis der süddeutschen und vor allem der niederländischen Orgellandschaft.
Nach vielen Diskussionen setzte sich schließlich die schlanke Gestaltung des Orgelgehäuses mit dem Doppelpfeifenprospekt durch.
„Dom zu Linz – Orgelskizze Nr. 1” im Maßstab 1:50 der Orgelbaufirma Marcussen & Søn (April 1959).
© Diözesanarchiv Linz
„Dom zu Linz – Orgelvorschlag“ im Maßstab 1:100 der Orgelbaufirma Marcussen & Søn (Mai 1959).
© Krauss-Archiv im Stift Schlägl
„Dom zu Linz – Entwurf für eine neue Orgel“ im Maßstab 1:50 der Orgelbaufirma Marcussen & Søn (undatiert).
© Krauss-Archiv im Stift Schlägl
Ähnlich wie beim dispositionellen und klanglichen Vorbild für die künftige Linzer Domorgel, der historischen Christian-Müller-Orgel von 1738 in der Grote of Sint-Bavokerk im niederländischen Haarlem, entschloss man sich schließlich, die große Turmrosette durch die Rudigierorgel zu verdecken. In der niederländischen Kirche war nämlich bereits 1734 ein gotisches Westfenster durch die architektonisch prachtvolle und bald sehr berühmte Orgel verdeckt worden, ohne dass der Gesamteindruck des Raumes negativ beeinflusst worden wäre.
Aufgrund der Größe des Domes und der dafür relativ geringen Zahl der Register mussten Maßnahmen gesetzt werden, damit der Klang der Orgel mit nur 70 Registern bestmöglich in Richtung Altar gerichtet werden konnte. Hinsichtlich des klanglichen Volumens hatte man sich geeinigt, dass die Orgel bis zur Vierung zur Gänze klanglich präsent sein musste.
Um diese klanglichen Vorstellungen realisieren zu können, sollte auf Wunsch von Intonateur Albrecht Buchholtz (*1929) eine Rückwand hinter der neuen Orgel errichtet werden.
So belegt der von Egon Krauss verschriftlichte Kopenhagener Bericht vom 22. Februar 1967, dass Buchholtz anmerkte, „[…] ob nicht hinter der Linzer Orgel eine Wand eingezogen werden könnte, unten aus Holz oben aus Glas. Dies würde eine eventuelle zu starke Zurückflutung des Orgelklanges verhindern [...] Hermann Kronsteiner erwähnt, dass Zachariassen sen. bei der seinerzeitigen Besprechung in Linz davon nichts erwähnte, obwohl die Frage des ‚Zurückflutens‘ angeschnitten wurde. ‚Ich fürchte nichts ...‘ sagte Zachariassen sen. damals.“
Durch die Errichtung der Rückwand wurde die für den gotischen Baustil so bedeutsame Rosette im Kirchenraum schließlich gänzlich unsichtbar. Mit dieser Konstruktion entstand jedoch hinter der Orgel ein Raum mit einer außergewöhnlichen Architektur und Akustik, der heute als Rudigierhalle bezeichnet wird.
Rudigierhalle im Mariendom Linz.
© Gerhard Wörnhörer
Große Turmrosette im Mariendom Linz.
© Mariendom Linz/Kunstverlag PEDA Passau
Zur Einsparung finanzieller Mittel wurden einheimische Firmen mit der Fertigung des Orgelgehäuses beauftragt. Dies führte beim Aufbau der Orgel in Linz beinahe zum Eklat, nachdem das Orgelgehäuse der Tischlerei Weidinger in Steyr, die rund 4500 Arbeitsstunden darin investiert hatte, nicht zur Gänze aus massivem Eichenholz gearbeitet war. Heftige Diskussionen hinsichtlich des verwendeten Materials der Holzarbeiten waren die Folge.
In der ersten von insgesamt elf Dommusikvereinssitzungen des Jahres 1968 warf Hermann Kronsteiner (1914–1994) die Frage auf, warum die Türen und Füllungen des Orgelgehäuses nicht aus Vollholz in Eiche gefertigt werden. Dombaumeister Gottfried Nobl (1923–2017) verteidigte sich postwendend:
„Homogenplatten bestehen (zum Unterschied etwa von Holzfaserplatten) aus reinem Holz, sitzen besser als Naturholzplatten, haben auf den Klang keinen nachteiligen Einfluß. Mit der Fa. Markussen [sic!] sei diesbezüglich brieflich verhandelt worden und würde dies in jedem anderen Fall einer Abänderung des Plans auch geschehen. Die schriftlichen Nachweise sind vorhanden.“
Intensive Recherchen in der Firma Marcussen & Søn förderten keine diesbezüglichen Schriftstücke zutage. Darum wird wohl bis auf weiteres ungewiss bleiben müssen, inwieweit es sich in diesem Fall um einen Alleingang des Dombaumeisters Nobl zur Einsparung von Kosten handelte.
Nach Fertigstellung der Orgel beklagte sich Egon Krauss (1905–1985) in einem Brief an den Utrechter Organisten Lambert Erné (1915–1971) vom 21. Jänner 1969 vehement über das Material des Gehäuses und der Goldplatten. Er selbst hätte sich außerdem eine Vergoldung der Labien gewünscht:
„Du schreibst einen entsprechenden Bericht für ‚Het Orgel‘, und hast entsprechende Photos bekommen. Was ich Dich bitte in so einem Falle zu tun ist [sic!], dass Du offen sagst, dass das Gehäuse zwar in der Konstruktion von Marcussen gut, in der Ausführung von der Firma in Steyr aber in ungenügender Qualität mit Pressholzplatten und an Stelle von Holzverbindungen tischlerischer Art mit geschlagenen Schrauben – wie im billigen Waggonbau vergangener Zeiten – ausgeführt ist. Das ist schade und ich habe umsonst dagegen Stellung genommen. Auch Jörn [sic!] war zu schwach. Es war die Sache des Domarchitekten, der die Tischlerei anscheinend begünstigte und auch die lächerlichen Goldplatten als ‚Verzierung‘ anbrachte. Das von mir und von den Orgelmachern vorgeschlagene Vergolden der Labien und allfällig Ornamentieren der Pfeifen wurde von ihm abgelehnt.“