1924
1924. Nach 62 Jahren Bauzeit wurde der Linzer Mariendom geweiht – das größte europäische Dombauprojekt dieser Zeit ist technisch wie logistisch als Meisterleistung zu bezeichnen. Initiator und Gründervater des Mariendoms ist Bischof Franz Joseph Rudigier (1811–1884), der sich 1855 – wenige Monate nach der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis Mariens durch Papst Pius IX. (1792–1878) mit der Bulle Ineffabilis Deus am 8. Dezember 1854 – entschloss, zu Ehren dieses Glaubensgeheimnisses einen neuen Dom errichten zu lassen, in der alle Linzer:innen dieser Zeit Platz finden sollten. Der Dombau war dabei explizit von Beginn an als Gemeinschaftsprojekt angelegt – der gigantische Bau ist nämlich ausschließlich durch Spenden von Gläubigen finanziert. Mit der Planung und Ausführung des Projekts wurde Vincenz Statz (1819–1898), Diözesanbaumeister am Kölner Dom, beauftragt und zum ersten Dombaumeister des Linzer Mariendoms ernannt.
In vier große Bauphasen gliedert sich das gigantische Bauprojekt: Nach der Grundsteinlegung am 1. Mai 1862 durch Bischof Rudigier begann der Dombau mit Krypta (Unterkirche) und Votivkapelle (1862–1869), am Ende dieser Bauphase erfolgte die Weihe der Votivkapelle am 29. September 1869 durch Bischof Franz Joseph Rudigier. Der nächste Bauabschnitt umfasste den Bau des Presbyteriums bis zum Querschiff (1870–1885), der mit der Benediktion des provisorisch abgeschlossenen Presbyteriums am 26. September 1885 durch Bischof Ernest Maria Müller (1822–1888) abgeschlossen wurde. Zusehends vergrößerte sich der Kirchen- und Feierraum des Mariendoms, aus bautaktischen Gründen folgte zur Absicherung der Baupläne von Vincenz Statz und zur Verhinderung anderer willkürlicher Abweichungen wie Verkleinerungen des Turms oder des Gebäudes im Allgemeinen aber zunächst der Bau des Turms (1886–1901) mit der Weihe der Glocken am 1. Mai 1902 unter Bischof Franz Maria Doppelbauer (1845–1908), bevor der Bau des Lang- und Querschiffs (1902–1924) zur Verbindung der beiden getrennten Gebäudeteile folgte. Zum Zeitpunkt der Domweihe am 29. April 1924 durch Bischof Johannes Maria Gföllner (1867–1941) auf das Glaubensgeheimnis der Unbefleckten Empfängnis Mariens war der Dom zwar noch nicht ganz fertig gestellt – an kleineren Elementen und an der Innenausstattung wurde noch weitergearbeitet bis zur Vollendung 1935 zum 150-Jahr-Jubiläum der Diözese Linz. Bereits am 1. Mai 1909 – zeitgleich mit der Inthronisation von Bischof Rudolph Hittmair (1859–1915), der als erster Diözesanbischof im Mariendom geweiht wurde – war dem ersten Teil des noch nicht vollendeten Mariendoms die Kathedralfunktion vom Alten Dom (Ignatiuskirche) übertragen worden. Auch die Dompfarre Linz wurde bereits zwei Jahre vor dem mehrtägigen Domweihefest zwischen 29. April und 1. Mai 1924 per 1. Januar 1922 errichtet.
Imposant und beeindruckend war der Bau der größten Kirche Österreichs nicht nur für Zeitgenoss:innen wie Adalbert Stifter (1805–1868), der 1862 angesichts der Grundsteinlegung verkündete: „[…] wenn nach diesen Plänen die Kirche vollendet wird, so steht ein Kunstdenkmal von großer Bedeutung da, und wenn es einmal in dieser an Kunstbauten sehr armen Stadt prangt, so ist nicht nur die Stadt und das Land, sondern das ganze deutsche Volk und die ganze gebildete Welt um ein hohes Werk reicher.“ Dieses hohe Werk lobte der deutsche Kardinal Michael von Faulhaber (1869–1952) in seiner Festpredigt am 1. Mai 1924, in der er auch bereits ins Jahr 2024 blickte: „In den alten Domen schauen Jahrhunderte auf uns nieder und dieser neue Dom rüstet sich wie ein Riese zu laufen seinen Weg durch Jahrhunderte. Als vor 62 Jahren, auf den Tag genau, der ehrwürdige Diener Gottes Franz Josef Rudigier, den Grundstein zu diesem Dom legte, da waren wenige von uns dabei, und wenn in hundert Jahren der neue Dom sein Jubiläum feiert, wird niemand von uns dabei sein. Menschen werden für Jahrzehnte geboren, Dome werden für Jahrhunderte gebaut.“
Genau dieser begonnene Weg durch die Jahrhunderte wird 2024 anlässlich 100 Jahre Mariendom Linz interdisziplinär in den Blick genommen – zu entdecken sind Geschichte und Geschichten des Giganten Mariendom in all seinen Facetten.
Text: Stefanie Petelin