Bischof Manfred Scheuer
50 Jahre Rudigierorgel – Erinnerungen und Wünsche
Meine erste Erinnerung an die Rudigierorgel stammt aus meiner Schulzeit im Petrinum: Mein Musikprofessor Johann Bergsmann hat uns in der 3. Klasse des Petrinums zu einem Orgelkonzert in den Mariendom mitgenommen. Da hörte ich zum ersten Mal die Rudigierorgel, die von dem blinden Organisten Gaston Litaize bespielt wurde. Es war ein unvergessliches Klang- und Raumerlebnis.
Die Rudigierorgel wird den Dimensionen des Mariendomes nicht nur in der klanglichen Ausgestaltung des großen Raumes gerecht. Sie ermöglicht es auch, den Dom als Ort des Gebetes und der Gottesbegegnung vertiefend zu erfassen.
In der kirchlichen Tradition wird der Zusammenklang der Orgelpfeifen als Ausdruck für die Einheit der Kirche in Vielfalt gesehen. Musik kann in ihrer Vielstimmigkeit eine Lehrerin dafür sein, Unterschiedlichkeit konstruktiv zu gestalten, kreativ mit dem Neuem und gastfreundlich mit dem Fremden umzugehen. Es ist gut, wenn wir die Rudigierorgel auch in dieser „pädagogischen“ Funktion wahrnehmen können.
Die Orgel ist ein Geschenk für den Mariendom und für die Kirche in Oberösterreich. Als Kircheninstrument ist sie ein Ausdruck für den Sensus des Menschen für das Größere und Unverfügbare. Die Rudigierorgel steht im Dienst der großartigen Zusage der Nähe Gottes, die wir bei jedem Gottesdienst feiern. Ich wünsche der Orgel zum 50. Geburtstag, dass sie in ihrer Einzigartigkeit, in ihren künstlerischen Ausdrucksformen und in ihrer Gottbezogenheit weiterhin große Wertschätzung erfahren möge.
Dr. Manfred Scheuer ist Diözesanbischof von Linz.